
Veröffentlicht am: 16.12.2020
Eignung für das Führen eines Sicherheitsunternehmens
Zum Auftakt der achtundzwanzigsten Runde stellen wir die Frage “Ist man geeignet, ein Sicherheitsunternehmen zu führen, wenn man sich im Privatleben erhebliche Verfehlungen geleistet hat?“
Im Interview mit
Cornelia Okpara · stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft e.V. (BDSW) und der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW),
Dirk Faßbender · Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG,
Ralf Philipp · Leiter Marketing & Geschäftsentwicklung der CMD – Sicherheit und Dienstleistungen GbmH & Co. KG,
Julia Al Fawal · Geschäftsführerin der ToSa Security & Service GmbH & Co.KG,
Stefan Wegerhoff · Geschäftsführender Gesellschafter der SAW – Bildungszentrum NRW GmbH
Eine kurze Einleitung
Ist man geeignet, ein Sicherheitsunternehmen zu führen, wenn man sich im Privatleben erhebliche Verfehlungen geleistet hat? Sowohl das Verwaltungsgericht Köln als auch das Oberverwaltungsgericht Münster sagen: Nein! (OVG Münster, Beschluss vom 17.2.2020 – 4 B 1604/19) Zuvor hatte die Ordnungsbehörde einem Geschäftsmann die Gewerbeerlaubnis entzogen, da ihm die Zuverlässigkeit im Sinne von § 34a GewO fehle. Begründung: Der Mann war sowohl wegen Körperverletzung und Beleidigung seiner Lebensgefährtin zu 80 Tagessätzen als auch wegen Körperverletzung eines Taxifahrers zu 100 Tagessätzen verurteilt worden.
Keine Frage: Wer daheim zur Gewalttätigkeit neigt, ist für die friedliche Maskenkontrolle in der Einkaufspassage sicherlich der falsche. Aber ein Firmeninhaber ohne Einsatz im operativen Geschäft?
Die Urteile sind für das Sicherheitsgewerbe von großer Bedeutung, denn sie greifen tief in das Recht auf freie Berufsausübung (Art. 12 GG) ein. Kaum anzunehmen, dass vergleichbar geurteilt worden wäre, wenn es sich um den Geschäftsführer eines IT-Dienstleisters oder eines metallverarbeitenden Betriebs gehandelt hätte. Halten Sie die Urteile für gerechtfertigt?

Cornelia Okpara
„Das Sicherheitsgewerbe hat eine besondere Stellung inne“
Die Urteile müssen im Lichte der Besonderheiten des Sicherheitsgewerbes betrachtet werden. Und lassen Sie es mich vorwegnehmen: Ja, ich halte die Urteile für gerechtfertigt. Es ist eben ein Unterschied, ob man ein Unternehmen des Sicherheitsgewerbes betreibt oder einen Friseurladen eröffnet. Viel zu oft leidet das Image des Gewerbes unter den „schwarzen Schafen“, die es natürlich in jedem Gewerbe gibt. In unserem wird das aber bekanntlich ganz besonders pressewirksam „ausgeschlachtet“.
Für die gewerbsmäßige Überwachung von Leben und Eigentum fremder Personen müssen deshalb Gewerbetreibende wie auch Beschäftigte eine Zuverlässigkeit nachweisen, die sich aus der besonderen Stellung dieses Gewerbes ergibt und die gesetzlich festgelegt ist. Für die spezifischen Pflichten der Tätigkeiten im Sicherheitsgewerbe bedeutet dies: Bereits im Vorfeld der Gründung eines Unternehmens sind etwaige Gefahren zu erkennen. Und diesen gilt es vorzubeugen.
Die Einschränkung des Grundrechts auf freie Berufsausübung aus Art. 12 ist durchaus gerechtfertigt. Die Versagung der Erlaubnis sieht das Gesetz bei fehlender Zuverlässigkeit vor. Eine Erteilung der Erlaubnis unter Auflagen als milderes Mittel wird nicht ausreichen, um Gefahren zu begegnen, die von der Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden im Sicherheitsgewerbe ausgehen.

Dirk Faßbender
Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG
„Folgerichtig und gerechtfertigt“
Die Entscheidungen der Gerichte beruhen ausschließlich auf der Gewerbeordnung; hier: § 34a Bewachungsgewerbe. Auf dieser Grundlage sind die Urteile inhaltlich folgerichtig und auch gerechtfertigt. Da gerade nach der Gewerbeordnung der Erlaubnisinhaber „zuverlässig“ sein muss, erübrigt sich die Frage eigentlich schon. Ich sehe hier auch keinen Einschnitt in das Recht auf freie Berufsausübung (Art. 12 GG) gegeben, da ja jeder, der unbescholten ist, ein Bewachungsgewerbe beantragen kann. Der Vergleich mit dem Inhaber einer IT-Firma oder eines metallverarbeitenden Unternehmens hinkt, da hierfür andere rechtliche Voraussetzungen greifen.

Julia Al Fawal
Geschäftsführerin der ToSa Security & Service GmbH&Co.KG
„Wer sich privat nicht zügeln kann, kann das beruflich auch nicht“
„Wer gewerbsmäßig Leben oder Eigentum fremder Personen bewachen will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde“, so heißt es in § 34a GewO. Dieser Satz beinhaltet eine Schrankenfunktion, die das Recht auf freie Berufsausübung (Art. 12 GG) für Gewerbetreibende im Sicherheitsdienst einschränkt.
Um ein Gewerbe eröffnen zu dürfen, ist die Sachkundeprüfung mittlerweile eine konstitutive Voraussetzung. Jedem Unternehmer in unserem Gewerbe sollte das bekannt sein. Ich halte diese Einschränkung für gerechtfertigt!
Nun kann man dem entgegenhalten, dass beide Vorfälle, für die besagter Geschäftsmann verurteilt wurde, in seinem privaten Umfeld geschehen sind und nicht in seinem beruflichen. Aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass jemand, der sich in seinem privaten Umfeld nicht „zügeln“ kann, auch in stressigen Situationen während der Arbeit die Beherrschung verliert. Auch wenn ein Unternehmer beispielsweise nur administrativ tätig ist – wie kann er, der eine Vorbildfunktion darstellt und eine hohe Verantwortung trägt, rechtstreu seine Firma führen, wenn er dieses in seiner eigenen Person nicht umgesetzt bekommt?
Es dient dem Schutz der Allgemeinheit, dass Personen, die fremdes Leben und Eigentum schützen, höheren Auflagen unterliegen als der IT-Spezialist, der das Netzwerk vor Angriffen Unbefugter schützt.

Ralf Philipp
Leiter Marketing & Geschäftsentwicklung der CMD - Sicherheit und Dienstleistungen GmbH & Co. KG
„Wer sich nicht an die Rechtsordnung hält, hat in unserer Branche nichts verloren“
Das Sicherheitsgewerbe ist nicht die einzige Branche, für die es besondere Regelungen gibt. Gastronomen, Makler, Inkassodienstleister und andere haben Auflagen und Anforderungen zu erfüllen, um ihr Gewerbe ausüben zu dürfen. Von daher hinkt der Vergleich mit IT-Dienstleistern oder metallverarbeitenden Betrieben.
Meine ganz persönliche Meinung: Wenn jemand nicht in der Lage ist, sich an die gültige Rechtsordnung zu halten, hat er grundsätzlich nichts in unserem Gewerbe zu suchen, egal ob Mitarbeiter oder Unternehmer. Und ich bin da recht kleinteilig unterwegs: Jemand, der beispielsweise dauerhaft und konsequent Verkehrsregeln nach eigenem Ermessen auslegt und dabei nur nicht erwischt wird, ist moralisch schon an den Anforderungen gescheitert. Die Schwelle ist deutlich niedriger, auch andere gesetzliche Vorgaben zu verletzen, zum Beispiel im Arbeitsschutz oder in Sachen Arbeitszeit, oder so auszulegen, wie sie einem „in den Kram“ passen. Ich will gar nicht wissen, wie hoch der Anteil an Unternehmern ist, die ihre kriminelle Energie nahezu ungehindert ausleben. Letztlich ist aber eine solche Diskussion nicht zielführend und die Antwort allerhöchstens rein rhetorischer Natur.
Wer in unserem Gewerbe die Erlaubnis entzogen bekommt, findet sehr schnell einen anderen Weg, so weiterzumachen wie vorher. Vor den Augen der Öffentlichkeit sowie allen Regeln und Gesetzen zum Trotz.

Stefan Wegerhoff
Geschäftsführender Gesellschafter der SAW - Bildungszentrum NRW GmbH
„Verfehlungen sind menschlich, doch wo ist die Grenze zu ziehen?“
Ich persönlich bin bei der Beantwortung dieser Frage hin- und hergerissen. Auf der einen Seite habe ich keinerlei Bedenken, das jemand, der wie geschildert verurteilt wurde, ein Bewachungsunternehmen führt, solange er keinen operativen Dienst versieht. Wenn er die reine Verantwortung für das Unternehmen übernimmt oder „nur“ Personaldisposition oder Vertrieb macht, betrachte ich das als akzeptabel. Ein guter Bewachungs-Gewerbetreibender versteht eben sein Handwerk in punkto Beratung, Vertrieb oder Geschäftssinnigkeit. Ob man hier eine weitere Person als „Manieren-Bürgen“ benennen sollte, sein mal dahingestellt beziehungsweise als Vorschlag zu diskutieren.
Andererseits: Grundsätzlich übernimmt der Gewerbetreibende nun mal auch die Vorbildfunktion für seine Mitarbeiter. Und hier gilt es zu überlegen, ob nicht die Grundeinstellung gegenüber den Mitmenschen fehlerhaft ist, wenn jemand eine so „kurze Zündschnur“ hat. Das muss man sich dann auch die Frage stellen: Welche Geduld, welche Einstellung fordert er von seinen Mitarbeitern? Ist sein Rechtsempfinden ausreichend ausgeprägt?
Man kann vom Gesetzgeber nicht verlangen, hier Einzelfall-Entscheidungen zu treffen. Wo will man die Grenze ziehen? Ich könnte mir auch keinerlei Mittelweg vorstellen. Sicherlich sind Verfehlungen menschlich, wenn es im Rahmen bleibt. Niemand kann sich wahrscheinlich hier und da davon freisprechen. Dennoch lässt sich das kaum juristisch festlegen, dass man authentischen Handlungsspielraum für Entscheider gibt.