Veröffentlicht am: 11.05.2023

Mitarbeiterbindung

Die besten Maßnahmen

Zum Auftakt der einundfünfzigsten Runde stellen wir die Frage: „Für wie wichtig halten Sie Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung – und welche davon schätzen Sie als besonders wirksam ein?“

Im Interview mit

Dirk Faßbender · Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG

Rainer Ehrhardt · Vizepräsident des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft e. V. (BDSW)

Sebastian Otten · Sicherheitskoordinator bei der OBJEKTCONTROL Sicherheitsdienste Vogt GmbH

Eine kurze Einleitung

Wer seine Mitarbeiter langfristig an sein Unternehmen binden kann, muss weniger Aufwand ins Recruiting stecken – eine Binsenweisheit. Im Sicherheitsgewerbe ist das Bild uneinheitlich. Vom „sauber“ geführten Sicherheits-Dienstleister, der auch soziale Verantwortung für sein Personal übernimmt, bis zum Ausbeuterbetrieb, der nicht einmal den Mindestlohn zahlt, ist alles dabei. Manch einer hält einen halbwegs anständigen Lohn für ausreichend, für andere ist der Obstkorb der Weisheit letzter Schluss. In Zeiten des Fachkräftemangels muss das Management gerade im Niedriglohnsektor Sicherheit schon etwas einfallsreicher sein, um die Fluktuation in Grenzen zu halten. Für wie wichtig halten Sie Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung – und welche davon schätzen Sie als besonders wirksam ein?


Dirk Faßbender

Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG

„Vertrauen ist der Anfang von allem“

Der Erfolg von Unternehmen ist wesentlich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abhängig. Diese sind wohl unumstritten das wichtigste Kapital einer personalintensiven Dienstleistung überhaupt. Erfolgreiche Dienstleistungen hängen stets unmittelbar von der Qualität der Beschäftigten und ihren Leistungen beim Kunden ab. In Zeiten, in denen es immer schwieriger wird, gute Arbeits- und Fachkräfte zu finden, ist es zwingend notwendig, die Aufmerksamkeit auf das Verbleiben der Beschäftigten zu richten.

Die Mitarbeiterbindung ist im Allgemeinen nicht als einzelne Aktivität zu verstehen, sondern muss als ganzheitlicher Prozess angesehen werden. Punktuelle Aktivitäten wie kostenfreie Obstkörbe und Getränke sind dabei wenig zielführend, da ihre Wirkung schnell verpufft und sich irgendwann jeder daran gewöhnt hat. Vielmehr ist der Faktor Vertrauen eine, wenn nicht sogar die Grundlage für die Verbundenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihrem Unternehmen gegenüber – Vertrauen also gegenüber Kollegen, Vorgesetzen und dem Unternehmen selbst.

Vertrauen ist dabei keine Einbahnstraße, kann aber nur entstehen, wenn Grundsätze und Regeln bestehen, nach denen sich alle Hierarchieebenen des Unternehmens richten. Individuelle und bedarfsbezogene Unterstützung und Respekt aller Beteiligten fördern das interpersonale Umfeld im gesamten Unternehmen. Das wiederrum ist im genannten Schlüsselmerkmal „Vertrauen“ zu finden und steigert folglich auch die Zufriedenheit an sich.

Ein weiterer Baustein bei der Mitarbeiterbindung lautet Identifikation. Denn wenn sich zwischen Belegschaft und Unternehmen eine ganzheitliche Bindung aufbaut und ein grundlegendes positives Gefühl die Beschäftigten mit dem Unternehmen verbindet, dann stehen diese auch konsequent hinter IHREM Unternehmen. Auch der Baustein Commitment, in diesem Fall also die emotionale Bindung an das Unternehmen, ist existenziell. Denn nur wenn sich die Beschäftigten durch ein Zugehörigkeitsgefühl als „Teil der Familie“ verstehen, besteht eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen. Die Verbundenheit im Kontext der Mitarbeiterbindung basiert daher auf der grundlegenden Zufriedenheit mit der Arbeit, einem guten Miteinander mit Kollegen und Vorgesetzten, der Anerkennung und Wertschätzung ihrer Leistungen sowie einer angemessenen Entlohnung.

Wenn also ein System geschaffen wird, das eine gerechte Bezahlung sicherstellt, persönliche Leistungen honoriert, Beschäftigten vertraut und wertschätzt, diese weiterentwickelt und zudem noch emotional einbezieht, dann kann dieses System auch effektiv arbeitende Beschäftigte an ein Unternehmen binden.


Rainer Ehrhardt

Vizepräsident des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft e. V. (BDSW)

„Fluktuation ist kein Zufall“

Keinesfalls ist es eine Binsenweisheit, die Beschäftigten langfristig ans Unternehmen zu binden, um damit weniger Aufwand ins Recruiting stecken zu müssen. Es ist eine primäre Kernaufgabe der Sicherheits-Dienstleister, wenn diese am Markt bestehen wollen. Der Arbeitsmarkt hat sich unwiderruflich zum Arbeitnehmermarkt entwickelt, und die demografische Entwicklung verändert die Perspektiven unserer Beschäftigten mit höherer Geschwindigkeit, als dies bei den Unternehmen der Fall ist. Während eine nicht geringe Anzahl von Managern noch über Personalmangel klagt, haben andere schon erkannt, dass Fluktuation kein Zufall ist. Das größte Potenzial liegt im eigenen Unternehmen. Denn längst geht es nicht mehr um Fachkräftemangel, sondern um den grundsätzlichen Mangel an gewerblich Beschäftigten, auch ohne Qualifikation.

Sicherheits-Dienstleistung und Personalbeschaffung „funktionieren“ bei unseriösen Marktteilnehmer auch ohne anständigen Lohn und ohne jegliche Sozialkompetenz gegenüber den Beschäftigten. Daraus abgeleiteter Unmut über die eigenen Unzulänglichkeiten ist nicht gerechtfertigt, zumal das auch nicht der Maßstab sein kann. Besonders problematisch wird es dann, wenn die Branche mit diesen Unternehmen kooperiert, um die Defizite der eigenen Personalbeschaffung zu kompensieren und damit ungewollt die Fluktuation noch verstärkt.

Um am Arbeitsmarkt außerhalb der Sicherheitsbranche zu bestehen, müssen Tariflöhne wettbewerbsfähig bleiben. Zahlt die Branche übertariflich, sind die Tarifverträge nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind. Im Niedriglohnsektor ist die zuverlässige und fehlerfreie Entlohnung ein wesentlicher Hygienefaktor. Aber Geld ist zur Bindung der Beschäftigten nicht allein ausschlaggebend. Neben den maßgeblichen Arbeitsbedingungen und den individuellen Benefizangeboten sind die Einbindung ins Kollegium, die persönliche Nähe zum Management, glaubhafte Wertschätzung, Verbindlichkeit in Zusagen, Zugehörigkeitsgefühl, der persönliche Umgang, Fortbildungsangebote, kompetente Führungsstrukturen, konsequente Betreuung und ein erfolgreiches Onboarding für Neueinstellungen wirksame Methoden zur Bindung der Beschäftigten.


Sebastian Otten

Sicherheitskoordinator bei der OBJEKTCONTROL Sicherheitsdienste Vogt GmbH

„Kein Luxus, sondern Investition in die Zukunft“

Eine der wirksamsten Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung ist heute die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das heißt nicht, Beschäftigten grundsätzlich flexible Arbeitszeiten und freie Wochenenden versprechen zu können, denn das funktioniert in der Branche leider nur höchst selten. Was aber hilft, ist Verbindlichkeit auf beiden Seiten. Beispiel: Freischichten müssen Freischichten bleiben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Elternzeit zu motivieren und diese auch wohlwollend zu akzeptieren, kann ein weiterer Basisbaustein sein.

Auch Zusatzleistungen wie Weiterbildungsangebote und entsprechende Kostenübernahme können dazu beitragen, langfristig an das Unternehmen zu binden. Denn gerade Fachkräfte sehnen sich nach Perspektiven. Wir weisen daher gezielt auf Bildungsurlaub hin und ermöglichen die berufsbegleitende Fortbildung. So besuchen zum Beispiel aktuell drei unserer Fachkräfte berufsbegleitend die Meisterschule.

Zudem sollten Arbeitgeber auf eine positive Arbeitsatmosphäre achten und die offene Kommunikation fördern, um ein angenehmes Arbeitsumfeld zu schaffen. Hierzu gehört auch die Mitarbeitersicherheit. Der Einhaltung von Arbeitsschutzgesetz, Arbeitssicherheitsgesetz, Anforderungen der Vorschrift 2 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und der Vorgaben der Sozialgesetzbücher gerecht zu werden, kann eine große positive Auswirkung auf die Beschäftigten haben.

Abschließend lässt sich sagen, dass Mitarbeiterbindung im Sicherheitsgewerbe von großer Bedeutung ist. Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass sich die Investition in Mitarbeiterbindung langfristig auszahlt und ökonomisch sinnvoll ist. Ich empfehle allen Unternehmen im Sicherheitsgewerbe, sich aktiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Mitarbeiter langfristig ans Unternehmen zu binden.

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