
Veröffentlicht am: 23.01.2020
Zum Auftakt der achtzehnten Runde stellen wir die Frage “Welche Konsequenzen für den Einsatz privater Sicherheitskräfte in Museen sollten aus dem Dresdener Kunstraub gezogen werden?“
Im Interview mit
Dr. Harald Olschok · Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft e.V. (BDSW) und der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW),
Isabelle Dichmann · Leiterin des Trainingszentrums der WISAG Sicherheit & Service Trainings GmbH,
Dirk Faßbender · Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG,
Ralf Philipp · Leiter Marketing & Geschäftsentwicklung der CMD – Sicherheit und Dienstleistungen GbmH & Co. KG,
Gero Dietrich · Geschäftsführer der Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft e.V. (VSW),
Julia Al Fawal · Geschäftsführerin der ToSa Security & Service GmbH & Co.KG,
Stefan Wegerhoff · Geschäftsführender Gesellschafter der SAW – Bildungszentrum NRW GmbH
Eine kurze Einleitung
Wachleute, die nicht eingreifen wollen, dürfen, können, wenn’s ernst wird – wie sollen sie ernstzunehmender Teil eines Sicherheitskonzepts sein? Nach dem Kunstraub in Dresden Ende November werden Nutzen und Qualität von Sicherheits-Dienstleistungen in Museen heftig diskutiert – zumal es nach dem Goldmünzen-Diebstahl im Berliner Bode-Museum im März 2017 der zweite spektakuläre Kunstraub in Deutschland innerhalb von nur zwei Jahren war. Im Berliner Fall steht gar ein Wachmann unter dem Verdacht der Komplizenschaft. Die privaten Sicherheitskräfte in Dresden wiederum haben wohl nicht mehr getan – oder nicht mehr tun sollen – als die „110“ zu wählen und auf die Polizei zu warten. Ein schlechter Witz. Dem Unternehmen ist vermutlich kein Vorwurf zu machen, denn der Kunde – der Staatsbetrieb Staatliche Kunstsammlungen Dresden – bestimmt die Sicherheitsleistung. Die Zeche zahlt die Gesellschaft, denn die Kulturschätze sind bis auf Weiteres futsch. Welche Konsequenzen für den Einsatz privater Sicherheitskräfte in Museen sollten daraus gezogen werden?

Dirk Faßbender
Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG
„Wer Sicherheit nur als Kostenfaktor sieht, muss mit den Folgen leben“
Der Fall Dresden zeigt einen recht unbedarften Umgang mit der Sicherheit und nur wenig von einem ganzheitlichen Sicherheitskonzept. Dieses dürfte nicht zulassen, dass sich wertvolle Kulturgüter hinter unzureichend gesichertem Glas, gering auflösenden Kamerasystemen und nur durch rudimentär ausgebildetes Sicherheitspersonal geschützt ist. Wer Sicherheit nur als Kostenfaktor sieht, muss mit den Folgen leben, auch wenn augenscheinlich alles mit dem zuständigen Landeskriminalamt abgestimmt worden war. Die Polizei hat zwar das Gewalt-, aber noch lange kein Sicherheitsmonopol. Gerade hoch wirksame und komplexe Sicherheitskonzepte – unter Einbeziehung modernster Sicherheitstechnik, schnell greifenden Notfallroutinen und gut ausgebildetem Sicherheitspersonal – kann und soll die Polizei gar nicht erstellen. Hierfür gibt es spezialisierte Berater und Gutachter, die sich bestens in ihrem ureigenen Aufgabengebiet auskennen und sich ständig fortbilden. Dass überwiegend nur tariflich bezahltes Sicherheitspersonal, meist nur mit IHK-Unterrichtungsverfahren, zum Einsatz kommt, darf kein Standard sein. Gerade deshalb sollten spezielle Vorgaben, etwa die VdS-Richtlinie 3411:2008-09, Leitfäden von Sachversicherern für Museen und Ausstellungen oder Qualifikationsanforderungen für Sicherheitspersonal, beispielsweise ECHOCAST, zwingend zum Standard in deutschen Museen werden. Ob bewaffnetes Sicherheitspersonal wie im Geld- und Werttransport eine Lösung wäre, ist zu bezweifeln. Die Täter würden sich darauf einstellen und rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch machen. Allein hoch qualifiziertes Sicherheitspersonal wird auch künftig nicht abschrecken. Das kann nur durch ein ganzheitliches und ständig zu überprüfendes Sicherheitskonzept unter Einbeziehung technischer, organisatorischer und personeller Maßnahmen gelingen.

Dr. Harald Olschok
Mitglied des KÖTTER-Sicherheitsbeirats
„Neubewertung der Bedrohungslage“
Der spektakuläre Einbruch am 27. November in das Grüne Gewölbe hat eine intensive Debatte über Museumsschutz eröffnet. Ministerpräsident Michael Kretschmer sprach von einem „Angriff auf Sachsen“. Viele Experten haben sich geäußert. Ob „eine gewisse Naivität“ in Sicherheitsfragen bei den Museumsleitungen vorhanden ist, wie der Kriminalwissenschaftler Daniel Zerbin sagt, vermag ich nicht zu beurteilen. Der Deutsche Museumsbund hat mitgeteilt, dass die Dresdner Sicherheitssysteme international üblichen Standards entsprächen.
Und so schlecht ist die Sicherheitslage nicht. In den letzten 25 Jahren gab es in Deutschland nur zwei weitere Einbrüche in Museen, 2017 in das Bode-Museum und 1994 in die Kunsthalle Schirn. Es gibt hier zu Lande 6.771 Museen mit rund 120 Millionen Besuchern im Jahr. Der Schutz von Museen ist ein wichtiges Geschäftsfeld. Aber auch hier gilt: Der Kunde entscheidet über Art und Umfang der Dienstleistung. Die privaten Sicherheitsdienste haben eine ausführende Rolle. Die Sicherheitsanalysen von staatlichen Museen werden in der Regel von den Landeskriminalämtern durchgeführt. Diese machen dann Vorgaben oder Vorschläge für den Schutz der Objekte, so auch in Dresden.
Einen 100-prozentigen Schutz gibt es auch nicht für Kunstwerke. Der Einbruch führt aber zu einer Neubewertung der Bedrohungslage. Interessant ist natürlich, dass der Museumsbund schon im Mai einen Arbeitskreis Sicherheit zum Austausch von Experten gegründet hat. Gemeinsam mit Kulturstaatsministerin Grütters wird eine Sicherheitskonferenz für Museen vorbereitet. Es soll diskutiert werden, wie Museen ihre Objekte künftig schützen können und gleichzeitig für Besucher zugänglich bleiben. Bewaffnete Museumssicherheitskräfte, da bin ich mir ganz sicher, werden nicht auf der Agenda stehen.

Gero Dietrich
Geschäftsführer
„Es braucht keine erweiterten Handlungsbefugnisse“
Im aktuellen Koalitionsvertrag heißt es: „Private Sicherheitsbetriebe leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit.“ Nicht erst seit dieser Formulierung ist bekannt, dass die Sicherheits-Dienstleister ein bedeutsamer Bestandteil der Sicherheitsarchitektur in Deutschland sind. In Anbetracht der hohen Anzahl von Mitarbeitern in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern kann hieran auch kein Zweifel bestehen.
Sicherlich sind sowohl der Museumsdiebstahl in Berlin als auch der zuletzt in Dresden erfolgte Diebstahl als spektakulär anzusehen. Aus beiden Vorfällen heraus aber zu schlussfolgern, Nutzen und Qualität privater Sicherheits-Dienstleister seien im Hinblick auf die Bewachung von Museen nunmehr in Frage zu stellen oder gar zu diskutieren, geht fehl. Die Aufgabenverteilung und insbesondere die Art der konkreten Handlungen bei Eintritt eines Vorfalls richten sich klar nach der Trennung zwischen hoheitlichen, damit vor allem polizeilichen Maßnahmen auf der einen Seite und Maßnahmen, die Sicherheits-Dienstleistern aufgrund der Jedermannsrechte zustehen. Infolge dessen war es nur konsequent und zutreffend, wie sich die Sicherheitspersonen in Dresden verhalten haben.
Die Erweiterung der Handlungsbefugnisse oder Bewaffnung des Sicherheitspersonals erscheint in diesem Einsatzbereich nicht geboten. Hingegen kann sicherlich hinterfragt werden, ob Sicherheitskonzepte auch bei Museen angepasst werden sollten und ob, sich hieran anschließend, eine besondere Aus- oder Weiterbildung von in Museen eingesetzten Sicherheitspersonen geeignet wäre. Die stetige Fortbildung von Personen, die Sicherheitsaufgaben wahrnehmen, ist immer sinnvoll und sollte daher ungeachtet von Vorfällen erfolgen sowie sich an den Parametern der jeweiligen konkreten Aufgabe orientieren.

Isabelle Dichmann
Leiterin des Trainingszentrums
„Großes Potenzial im ineinandergreifenden System von Mensch, Technik und Organisation“
Es ist in jedem Fall wichtig, dass Konsequenzen aus solchen Vorfällen gezogen werden. Denn es ist eindeutig, dass wichtige Elemente des Sicherheitskonzepts nicht vollumfänglich und konsequent umgesetzt worden sind.
Bei den angesprochenen Fällen denke ich jedoch in erster Linie an die Optimierung der Konzepte, besonders im Hinblick auf technologische Fortschritte in der Sicherheitstechnik. Weniger denke ich hierbei an die Befugnisse oder die Einsatzbereitschaft von Sicherheitsmitarbeitern im Museumsdienst. Der Fall in Berlin zeigt lediglich auf, dass eine sorgfältige und detaillierte Sicherheitsüberprüfung aller eingesetzten Mitarbeiter wichtig für Sicherheitsunternehmer sein muss. Doch hier ist die private Sicherheitswirtschaft auf die reibungslose und auch schnelle Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden angewiesen.
Des Weiteren sehe ich ein großes Potenzial in einem ineinandergreifenden System von Mensch, Technik und Organisation. Wir bei der WISAG haben dieses Potenzial erkannt, denn je weniger Kompetenzüberschneidungen stattfinden, je klarer Verantwortung und Verantwortlichkeiten geregelt sind, je besser Mensch, Technik und Organisation (ME.TE.OR.®) aufeinander abgestimmt sind, desto besser und sicherer ist das Ergebnis. Dieses Maß an Sicherheit soll kein Luxus für Unternehmen sein, sondern wirtschaftliche Notwendigkeit. Allen diesen Anforderungen kann nur ein erfahrener Sicherheits-Dienstleister im richtigen Maße Rechnung tragen.

Julia Al Fawal
Geschäftsführerin der ToSa Security & Service GmbH&Co.KG
„Uneinsichtige Auftraggeber schriftlich aufklären“
Die erste Frage, die ich mir gestellt habe, als ich vom Kunstraub in Dresden hörte: Ist es wirklich so einfach? Natürlich war das ein durchdachter Plan, doch ich hätte gedacht, dass ein Museum besser geschützt sei und die komplette Sicherung bei Stromausfall über Notstrom weiterläuft. Als der Einbruch auffiel, war es einfach schon zu spät für die zwei Mitarbeiter, noch einzuschreiten. Zwei Wachmänner mit Jedermannsrechten gegen zwei schwerbewaffnete Täter!
Generell gilt es zu überdenken, ob wir unsere Mitarbeiter bei gewissen Aufgaben besser ausbilden und vor allem ausrüsten können. Aber dazu braucht es einheitliche gesetzliche Regelungen. Und über all dem steht natürlich auch der Grundsatz: Private Sicherheitsdienste sind nicht die Polizei! Wir können die Polizei natürlich unterstützen, aber wenn bewaffnete Verbrecher durch ein Museum wüten, ist das nicht mehr Aufgabe eines Sicherheitsmitarbeiters, sie aufzuhalten.
Trotz allem müssen die Ausbildungsinhalte und Sicherheitskonzepte an neueste Standards angepasst werden. Dies ist natürlich mit Kosten verbunden, die Unternehmer nicht immer selbst tragen können. Die Auftraggeber hadern schon mit den tarifbedingten Preisanpassungen und sind nicht bereit, noch höhere Kosten für einen Sicherheitsdienst zu tragen. Dies bestätigt ja auch der Kunstraub in Dresden: Die Museumsleitung weist darauf hin, dass sie jährlich acht Millionen Euro für Sicherheitsmaßnahmen ausgibt – und damit ausreichend gesichert sei. Das Einzige, was einem Sicherheitsdienst bleibt, ist, seinen uneinsichtigen Auftraggeber schriftlich darauf hinzuweisen, dass die Sicherheit unter gewissen fehlenden Voraussetzungen nicht gewährleistet werden kann.

Ralf Philipp
Leiter Marketing & Geschäftsentwicklung der CMD - Sicherheit und Dienstleistungen GmbH & Co. KG
„Versicherungen beruhigen und Besucher an die Hausordnung erinnern“
Schwarze Schafe gibt es bei Arbeitgebern gleichermaßen wie bei Arbeitnehmern – vom „schwachen Moment“ bis zur Organisierten Kriminalität. Mit Blick auf den Raub in Dresden war die Stellungnahme der Polizei eindeutig: Der Sicherheits-Dienstleister hat alles richtig gemacht. Und ich maße mir nicht an, den Einsatz und die Reaktionszeiten der Polizei zu bewerten, ohne über weiterführende Hintergrundinformationen zu verfügen.
Welche Konsequenzen sollten wir ziehen? Sind Schusswaffen die Lösung? Sollte man aus dem notwendigen Übel „Wachdienst für die Versicherung“ einen erfahren Sicherheits-Dienstleister für den Schutz besonders wertvoller Objekte machen, selbstverständlich inklusive moderner Technik, bedient von erfahrenen und motivierten Sicherheitsmitarbeitern und auf Wirksamkeit regelmäßig geprüft von Fachleuten der Versicherung? Entsprechend höher wären die Verdienstmöglichkeiten und der gesellschaftliche Stellenwert dieser Tätigkeiten. Diskussionen über mehr Befugnisse und Ausstattung mit Schusswaffen kann man sich dann sparen.
Wie viele Sicherheitsleistungen in Museen und Kunstsammlungen werden von privater und wie viele von der öffentlichen Hand beauftragt? Wer könnte hier besser mit Signalwirkung bei Ausschreibungen glänzen als die öffentliche Hand? Als Optimist würde ich sagen: Das wird bereits so umgesetzt, weshalb auch die Polizei darauf hinweist, dass der Sicherheits-Dienstleister alles richtig gemacht hat. Aber in unserer Branche bin ich eher Realist: Wir Sicherheitsleute sind in Museen primär da, um die Versicherungen zu beruhigen sowie die Besucher auf den Laufwegen zu halten und an die Hausordnung zu erinnern, wenn sich jemand auf den Stuhl Friedrichs II. setzen will.

Stefan Wegerhoff
Geschäftsführender Gesellschafter der SAW - Bildungszentrum NRW GmbH
„Unter den gegebenen Umständen das einzig Richtige: Polizei alarmieren“
Oftmals wird der Sinn und Zweck von Wachdiensten diskutiert, nicht nur im Zusammenhang mit Museen. Leider werden dabei oft die eingesetzten Mitarbeiter in ein schlechtes Licht gerückt – und das vollkommen zu unrecht. Ein Sicherheitsmitarbeiter, der beispielsweise in Museen seinen Dienst verrichtet, leistet viel mehr als „nur“ stehen und schauen, sondern er betreut Kunden, gewährleistet während des Betriebs den störungsfreien Besuch der Gäste und schützt Werte vor Vandalismus usw. Das gilt gleichermaßen nachts, zu beachten ist jedoch der oftmals geringere Personalschlüssel zu diesen Zeiten. Oft aus Mangel an Sicherheits-Know-how sparen sich Museen als Auftraggeber dann zu diesen Zeiten den grundsätzlich erforderlichen großen Einsatz von Personal – eine reine Kostenfrage.
Solange nichts passiert, was glücklicherweise in 95 Prozent der Bewachungszeit der Fall ist, ist alles gut. Tritt jedoch der Ernstfall ein und Täter erscheinen am Objekt – meist auch noch in Gruppenstärke –, ist der Sicherheitsmitarbeiter meist mit der nicht mehr leistbaren Aufgabe konfrontiert, abzuschrecken oder abzuwehren. Verständlich, dass in diesem Fall ein Mitarbeiter schon aus Gründen der Eigensicherung nicht „den Chuck Norris auf‘s Parkett legt“, sondern, wie erlernt, die einzige richtige Handlung durchführt: Alarmieren der Polizei. Meiner Meinung nach wäre auch etwaige Bewaffnung nicht die erhoffte Wunderlösung, sondern schlichtweg der Einsatz von mehr Personal.
Auch bei Museen gilt: Sicherheit kostet Geld. Wer nicht bereit ist, den angemessenen Preis zu zahlen, darf sich im Schadensfall an die eigene Nase fassen.