
Veröffentlicht am: 04.07.2019
Zum Auftakt der zwölften Runde stellen wir die Frage “Sollten Qualifizierungsmaßnahmen auf QuaSOD-Grundlage für alle privaten Sicherheits- und Ordnungskräfte rund um den Veranstaltungsschutz verbindlich festgeschrieben werden?“
Im Interview mit
Dr. Harald Olschok · Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft e.V. (BDSW) und der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW),
Isabelle Dichmann · Leiterin des Trainingszentrums der WISAG Sicherheit & Service Trainings GmbH,
Dirk Faßbender · Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG,
Ralf Philipp · Leiter Marketing & Geschäftsentwicklung der CMD – Sicherheit und Dienstleistungen GbmH & Co. KG,
Gero Dietrich · Geschäftsführer der Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft e.V. (VSW),
Julia Al Fawal · Geschäftsführerin der ToSa Security & Service GmbH & Co.KG,
Stefan Wegerhoff · Geschäftsführender Gesellschafter der SAW – Bildungszentrum NRW GmbH
Eine kurze Einleitung
Sommerzeit – Zeit für Events. Es stehen dem Sicherheitsgewerbe wieder heiße Wochen bevor, in denen Straßen- und Bürgerfeste, Open-Air-Konzerte und -Festivals Umsätze generieren. Oder, aus einer anderen Perspektive formuliert: Wochen, in denen jede Menge überforderte und unqualifizierte „Ordnungs- und Sicherheitskräfte“ oberflächlich Handtaschen nach Waffen durchsuchen, mit durchtrainierten Oberarmen von einem Ende des Festplatzes zum anderen laufen und bestimmt, aber hilflos Alkoholisierte vom Gelände lotsen. Gerade erst hat ein Blogger darüber informiert, wie man sich ohne Ticket auf Festivals schleicht – besonders gewieft muss man dazu wohl nicht sein. Jedenfalls suchen Sicherheits-Unternehmen derzeit wieder händeringend nach „Servicekräften“, gerne ohne gewerberechtlichen Ballast, aber im Ernstfall eben doch mit Sicherheitsaufgaben. Die Veranstalter schert das wenig. Dabei hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit dem modularen Schulungskonzept QuaSOD vorgemacht, wie die Qualifikation jener aussehen müsste, die die Bezeichnung „Event-Ordnungs- und Sicherheitskraft“ verdienen. Sollten Qualifizierungsmaßnahmen auf QuaSOD-Grundlage für alle privaten Sicherheits- und Ordnungskräfte rund um den Veranstaltungsschutz verbindlich festgeschrieben werden?

Dirk Faßbender
Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG
„Qualifizierungsstandard für Event-Sicherheitspersonal“
Veranstaltungssicherheit bedeutet in erster Linie, den „Schutz von Leib und Leben“ der Besucher und mitwirkenden Akteure zu gewährleisten. Verbunden mit dieser Aufgabe sind daher ganz spezifische Qualifikationsfelder und die Einhaltung umfangreicher rechtlicher Rahmen, Gesetze, Vorschriften und Verordnungen, die damit grundsätzlich Standards für die sichere Durchführung von Veranstaltungen setzen. Erschwert wird die Veranstaltungssicherheit jedoch durch die Vielzahl an Gesetzen, Vorschriften und Verordnungen, ebenso durch fehlende Transparenz, regionale oder uneinheitliche Bestimmungen sowie Ermessensspielräume bei der Auslegung von Gesetzen. Diese Situation führt letztlich sogar dazu, dass Vorschriften ignoriert oder bewusst umgangen werden, um Zeit und Kosten zu sparen. Vor diesem Hintergrund zeigen sich zwei zentrale Herausforderungen: die fachliche Qualifikation von Sicherheitspersonal sowie dessen Erfahrungen bei Großveranstaltung. Ein besonderes Anliegen der Akteure in der Veranstaltungssicherheit sollte daher ein Qualifizierungsstandard für Sicherheitspersonal sein – analog der QuaSOD-Grundlage.

Dr. Harald Olschok
Mitglied des KÖTTER-Sicherheitsbeirats
„Die rechtlichen Grundlagen sind derzeit widersprüchlich“
Die Zahl der Veranstaltungen in Deutschland ist kaum mehr zu überblicken. Immer mehr davon gilt es zu schützen. Das ist eine riesige Herausforderung für alle Beteiligten. Die Katastrophe auf der „Love Parade“ 2010 hat zu einem Umdenken geführt. Sicherheitsanalysen sind obligatorisch. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns und entsprechende Kontrollen erschweren illegale Entlohnungspraktiken. Widersprüchlich sind die rechtlichen Grundlagen für den Schutz von Veranstaltungen. Die Musterversammlungsstätten-Verordnung verlangt einen Ordnungsdienst. Dieser wird nicht definiert. Sicherheitsmitarbeiter müssen die gesetzlichen Voraussetzungen wie Unterrichtung und/oder Sachkundeprüfung erfüllen, obwohl deren Inhalte überhaupt nicht für den Schutz von Veranstaltungen passen. Der DFB fordert in seinen Lizensierungsvorschriften von den Vereinen QuaSOD-geschulte Beschäftigte. Das ist gut so. Vergleichbare, bundesweite Vorgaben sind für den Schutz anderer Veranstaltungen nicht vorhanden. Das Projekt ProVOD erarbeitet mit BDSW-Unterstützung an einer einheitlichen Qualifizierung für Veranstaltungssicherheit. Letztlich ist der Gesetzgeber gefordert, in einem Sicherheitsdienstleistungsgesetz bundesweite Standards vorzugeben. Vorlagen sind vorhanden

Gero Dietrich
Geschäftsführer
„Nichts spricht dagegen, QuaSOD an andere Event-Formate anzupassen“
Der Deutsche Fußball-Bund hat mit dem Programm „Qualifizierung Sicherheits- und Ordnungsdienste“ (QuaSOD) ein Instrument dafür geschaffen, Sicherheitsmitarbeiter zu schulen, die in Stadien tätig sind. Das soll die Sicherheit in Fußballstadien insgesamt verbessern. Der Umstand, dass die DFB-Sicherheitsschulungen als E-Learning-Programm dargestellt werden, ist dabei positiv zu bewerten, ermöglicht dies doch die Schulung einer Vielzahl von Personen in kurzer Zeit. Zudem ist hierbei zu bedenken, dass die Berufszulassungsvoraussetzungen gemäß § 34a GewO das Thema Veranstaltungsschutz nicht ausführlich und abschließend erläutern. Allerdings wurde QuaSOD speziell für die Stadionsicherheit konzipiert und müsste folgerichtig den Gegebenheiten anderer Großveranstaltungen wie Volksfeste oder Musikkonzerte angepasst werden. Wäre diese fachliche und inhaltliche Harmonisierung gegeben, spricht nichts Gegenteiliges für die Ausweitung auf andere Veranstaltungsformate. Wobei eine Pflicht zu besonderer Qualifizierung dann zum Beispiel in Ausschreibungen festgelegt werden kann. Ein Mehr an Qualifizierung der Mitarbeiter führt konsequenterweise auch zu einer besseren Sicherheit bei Großveranstaltungen insgesamt.

Isabelle Dichmann
Leiterin des Trainingszentrums
„Mehrwert für den Mitarbeiter“
Ich befürworte Qualifizierungen für Sicherheitspersonal natürlich grundsätzlich. Verbindliche Vorgaben für die Qualifizierung von Mitarbeitern im Veranstaltungsschutz, können ein faires Mittel im Wettbewerb sein. Denn nur so sind die „Spielregeln“ für alle Auftragnehmer identisch. Wichtig bei Qualifizierungen jeglicher Art ist jedoch, dass die Inhalte auch einen Mehrwert für den Mitarbeiter in seiner täglichen Arbeit darstellen. Die Inhalte müssen also gezielt auf die Tätigkeit und die Gegebenheiten der Veranstaltung abgestimmt sein. Die Anpassung auf die jeweilige Veranstaltung könnte in der Praxis die größte Herausforderung darstellen. Dies ist für eine spürbare Qualitätssteigerung allerdings unabdingbar. Letztlich sollen Besucher und Veranstalter spüren, dass qualifizierte Mitarbeiter den Veranstaltungsschutz durchführen. Alleinig eine verbindliche Qualifizierung kann dies jedoch nicht gewährleisten – die adäquate Personalauswahl ist meiner Meinung nach ein weiterer wichtiger Punkt.

Julia Al Fawal
Geschäftsführerin der ToSa Security & Service GmbH&Co.KG
„Kein Geschäftsfeld für klassische Public Private Partnership“
Die richtige Schulung von Sicherheitsdienst-Kräften auf Events?! Das ist ein Thema, mit dem wir uns als auf Event spezialisierter Sicherheits-Dienstleister täglich beschäftigen. Die Gewerbeordnung gibt uns dafür einen klaren gesetzlichen Rahmen vor – mindestens die 40-Stunden-Unterrichtung für alle Mitarbeiter, die mit Sicherheitsaufgaben betraut sind. Aber oft verschwimmen die Grenzen zwischen Sicherheits- und Serviceaufgaben. Es gibt Tage, an denen wir 700 Mitarbeiter im Einsatz haben. Eine Schulung ähnlich wie QuaSOD wäre ein dringender, wichtiger Anfang. Im Unterrichtungsverfahren kommt der Veranstaltungsschutz leider zu kurz. Wenn der Gesetzgeber das Unterrichtungsverfahren verpflichtend macht und wir zusätzlich noch eine weitere „Event-Schulung“ einführen, dann müssen wir uns allerdings auch fragen: Wieviel Zeit können wir unseren Mitarbeitern und wieviel Geld den Firmen zumuten, in weitere verpflichtende Schulungen zu investieren? Es muss eine Gesamtlösung für die Event Security gefunden werden!

Ralf Philipp
Leiter Marketing & Geschäftsentwicklung der CMD - Sicherheit und Dienstleistungen GmbH & Co. KG
„QuaSOD ist als Event-Security-Standard nicht geeignet“
Vorab sei die Bemerkung erlaubt, dass die Frage jede Menge Klischees und Vorurteile bedient – das muss wirklich nicht sein. Zur inhaltlichen Antwort: Die letzten drei Buchstaben aus „QuaSOD“ kennt man auch aus der Sicherheit im ÖPV: Sicherheits- und Ordnungsdienst, also ausgewählte Mitarbeiter, die mindestens ihre Sachkundeprüfung nach § 34a GewO erfolgreich abgelegt und weitere für den Auftrag relevante Qualifikationen erlangt haben. Das „O“ aus QuaSOD steht zwar für „Ordnungskraft“, das S aber lediglich für „Service“. Aus Sicht des DFBs bringt dieses modulare Schulungskonzept mehr Qualität und setzt einen verbindlichen Standard. Ich sehe das anders: Es wurde damit eine Qualifizierung geschaffen, die weniger kostet und auf den Sicherheitsbedarf von Fußball-Events zugeschnitten ist. Für andere Veranstaltungen, etwa Konzerte, stellt QuaSOD meiner Meinung nach keine Verbesserung dar und kann somit kein Vorbild sein. Mehr Sicherheit wäre nur dann möglich, wenn Inhalt und Voraussetzung für die Qualifizierung die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Events berücksichtigt – am besten erarbeitet mit den jeweiligen Qualitätsführern, die ohnehin schon umfassend in die Qualifikation ihrer Mitarbeiter investieren.

Stefan Wegerhoff
Geschäftsführender Gesellschafter der SAW - Bildungszentrum NRW GmbH
„Die bestehenden Qualifikationen genügen vollkommen“
Das umfangreiche Qualifizierungsprogramm des DFB ist eine nette Zusatzqualifikation für Sicherheitskräfte im Ordnungsdienst. Die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Qualifikation in Form des Unterrichtungsverfahrens oder der Sachkunde reicht meines Erachtens allerdings vollkommen aus. Immerhin gelten für das Bestehen der Sachkundeprüfung hohe Anforderungen, sodass vom Absolventen zu erwarten ist, dass er die Themengebiete verinnerlicht hat. Es ist bedauerlich, dass unseriöse Sicherheitsdienste auf Servicekräfte als „Lückenbüßer“ zurückgreifen. Unterbinden könnte dies jedoch die zuständige Behörde. Eine erhöhte Anforderung in Form von Qualifikationsmaßnahmen würde das Problem meines Erachtens nach nur verstärken. Letztlich ist es der Gier der Unternehmer und dem Geiz der Auftraggeber geschuldet, dass dieses Problem überhaupt auftritt. Grundsätzlich gilt: Qualifikationen sind stets zu begrüßen, die bestehenden reichen jedoch voll aus. Es ist lediglich zu überlegen, ob das Unterrichtungsverfahren als Grundqualifikation für den Wachdienst genügt und hier die Absolventen tatsächlich über die nötigen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse verfügen, um solch sensible Aufgaben zu erfüllen.