Veröffentlicht am: 30.08.2021

Raphael aus der Wiesche

Raphael aus der Wiesche ist am 18.07.1997 in Neu-Ulm geboren. 2016 hat er erfolgreich sein Abitur abgeschlossen und im selben Jahr mit dem Studium der Rechtswissenschaften an der Friedrich-Wilhelms – Universität in Bonn begonnen.
Seit 2017 lebt und studiert er in Berlin.
In seinem Studium interessiert er sich besonders für das allgemeine Sicherheits- und Ordnungsrecht.

Arbeitsunfälle

Arbeitsunfälle sind keine Seltenheit. Insbesondere das Sicherheitsgewerbe ist durch die Abwehr von Gefahren naturgemäß einem besonders hohen Risiko ausgesetzt. Dies wirft Fragen nach der Haftung auf: wer haftet für fahrlässiges Verhalten des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers? Wie sieht es mit der Heilbehandlung und mit Schmerzensgeldansprüchen aus? Der folgende Text behandelt die dargelegten Folgeprobleme eines Arbeitsunfalls und enthält darüber hinausgehend ein paar Worte zur Unfallverhütung und persönlichen Schutzausstattung (PSA).

I. Arbeitsunfall

Ausschließlich Arbeitnehmer zählen zum Kreis der pflichtversicherten Personen. Freiberufler oder Selbstständige sind nicht automatisch in der Unfallversicherung. Hier empfiehlt sich eine freiwillige Mitgliedschaft. Diese muss ausdrücklich bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) beantragt werden.
Die Versicherung bietet nur bei Arbeitsunfällen Schutz. Nach Paragraf 8 SGB VII zählen dazu alle Unfälle, die der Arbeitnehmer bei Ausübung einer gesetzlich versicherten Tätigkeit erleidet und die zu einem Körperschaden führen. Erfasst sind also nur Unfälle, dessen ursächliche Handlung in einem konkreten Zusammenhang zur Arbeitsleistung des Beschäftigten steht. Zu den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung gehören neben einem Schadensausgleich für den Versicherten auch Maßnahmen zum sozialen Schutz der Familie. Typischerweise erstattet die Unfallversicherung die Heilbehandlung, zahlt eine Verletztenrente oder gar eine Hinterbliebenenrente. Grob gesagt zählt zur Versicherungsleistung alles, was zur Beseitigung des Sachschadens erforderlich ist. Darin sind auch Arm- und Beinprothesen inbegriffen. Allerdings zählt Schmerzensgeld nicht zu den ersatzfähigen Leistungen. Dies ist eine weitergehende Leistung, die für die Schadensbeseitigung objektiv nicht erforderlich ist. Bei der Unfallverursachung wird kein Zurechnungsmaßstab angewandt: die gesetzliche Unfallversicherung zahlt unabhängig davon, ob der Schaden schuldlos, in eigener Fahrlässigkeit oder durch einen Dritten verursacht wurde.

II. Haftung des Arbeitgebers und unter Arbeitskollegen

Für den geschädigten Arbeitnehmer stellt sich die Frage, inwieweit er neben der gesetzlichen Unfallversicherung auch noch den Arbeitgeber oder Kollegen zu einer Leistung verpflichten kann.
Der Arbeitgeber ist grundsätzlich freigestellt. Dies gilt nicht vor allem für Körperschäden. Denn diese werden schließlich von der Versicherung getragen. Eine Ausnahme sind vorsätzlich herbeigeführte Arbeitsunfälle. Dann sind Unternehmen nach Paragraf 104 Abs. 1 SGB VII dem Versicherten sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen zum Ersatz des Personenschadens verpflichtet. Für Arbeitsunfälle, die im Zusammenhang mit dem Aufsuchen oder Verlassen des Arbeitsplatzes stehen, ist der Arbeitgeber von seiner Haftung generell befreit. Im Übrigen ist durch Paragraf 104 Abs. 1 SGB VII ein weitergehender Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den Arbeitgeber ausgeschlossen.
Weiterhin werden von Arbeitskollegen verursachte Schäden bei anderen Angestellten (Personenschäden) von der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen. Dies hat eine Privilegierung des fahrlässig handelnden Verursachers zur Folge. Denn würde der Arbeitskollege den Personenschaden in seiner Freizeit verursachen, macht er sich nach dem zivilrechtlichen Deliktsrecht haftbar. Deliktsnormen werden hier nicht angewandt. Eine deliktische Haftung wäre unangemessen, da der Arbeitsplatz nicht in der Risikosphäre des Kollegen liegt. Die gleichen Grundsätze wurden vom Bundesgerichtshof auch auf betriebsfremde Dritte übernommen, sofern der Unfall auf dem Betriebsgelände stattfindet.
Der Schadensersatzanspruch schließt übrigens auch Arbeitsunfälle am privaten PKW und sonstigen privaten Arbeitsmitteln ein, sofern diese mit Billigung des Arbeitgebers in den Betrieb eingebracht worden sind. Mit anderen Worten: Privatgegenstände werden mit Zustimmung des Arbeitgebers zur Verrichtung der Arbeitsleistung benutzt.

III. Unfallrisiken in der Sicherheitsbranche

Sicherheitsmitarbeiter zählen zu den Personen, die berufsbedingt einem hohen Unfallrisiko ausgesetzt sind. Bei der Bewachung von Personen oder Vermögensgegenständen geht die Gefahr üblicherweise von feindlichen Fremdeinwirkungen Dritter aus. Werden Wertgegenstände bewacht besteht die Gefahr, Opfer eines gezielten Angriffs zu werden, wobei Täter versuchen, sich den Wert des zu bewachenden Objektes anzueignen. Auf Großveranstaltungen oder an Diskotheken kann es zu körperlichen Tätigkeiten durch randalierende Besucher kommen. An Eingangsbereichen kommt es regelmäßig zu spontanen Angriffen.
Der bestehenden Gefahr kann im Vorfeld durch das Trainieren situationsbezogener Verhaltensweisen begegnet werden. Überdies sind die Mitarbeiter mit persönlicher Schutzausrüstung (PSA) ausgestattet. Anhand von Deeskalationstechniken kann das spontane Auftreten körperlicher Tätigkeiten unterbunden werden. Zur Prävention eignen sich außerdem sogenannte Publikumsprofile. Das Publikumsprofil ermittelt das Gefahrenpotential einer Veranstaltung. Hierzu helfen Leitfragen nach Art und Anlass der Veranstaltung, ob sich tendenziell gefährliche Personengruppen in der Masse befinden, ob Alkohol konsumiert wird, ob es zu Gedränge kommen könnte und wie die Gesamtstimmung zu beurteilen ist. Selbstverständlich kann der einzelne Mitarbeiter keine umfassende Analyse seines Einsatzortes durchführen. Menschenkenntnisse und Berufserfahrung sowie die Rücksprache mit Kollegen helfen zumindest dabei, sich einen ersten Eindruck zu verschaffen.
Die Unfallverhütungsvorschriften (DGUV-Vorschriften) stellen rechtsverbindliche Pflichten zur Verbesserung der Arbeitssicherheit dar. Träger dieser Normen sind die Berufsgenossenschaften. Neben Pflichten zur Bereitstellung von Erste-Hilfe-Maßnahmen im Unternehmensgebäude oder dem mobilen Arbeitsplatz, Vorgaben zur Verfügbarkeit von ausreichend Betriebsärzten, Sicherheitsingenieuren und anderen Fachkräften, enthält DGUV Vorschrift 23 spezielle Anforderungen für Sicherheitsdienste. Nach DGUV Vorschrift 23 ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, Maßnahmen der Eigensicherung anhand von Dienstanweisungen durchzusetzen. Unter Eigensicherung versteht man den aktiven Schutz vor feindlichen Fremdeinwirkungen und Gefahren für den eigenen Körper. Dazu zählen alle Selbstverteidigungsmaßnahmen, die noch im Rahmen der Notwehr- und Notstandsnormen (§§ 32ff. StGB) liegen.

IV. Eigenschutz

Darüber hinaus gibt es die passive Eigensicherung, welche auch als Eigenschutz bezeichnet wird und das Tragen der Schutzkleidung bezeichnet. Zur Schutzausstattung einer Sicherheitskraft zählen zum Beispiel schuss- und stichfeste Westen, Helme, Handschuhe sowie Selbstverteidigungs- und Abschreckungsmittel. Waffen oder waffenähnliche Gegenstände, die unter das Waffengesetz fallen, dürfen nur in ganz seltenen Fällen von privaten Sicherheitsdiensten geführt werden. Neben einem Waffenschein und einer Waffenbesitzkarte ist der Nachweis eines „besonderen waffenrechtlichen Bedürfnisses“ erforderlich. Dies wird bei der Bewachung von Personen, Geld- und Werttransporten oder kritischer Infrastruktur bejaht. Zu den „Klassikern“ unter den Abschreckmitteln zählt Pfefferspray. Wenn Reizgase als Tierabwehrspray gekennzeichnet sind, unterliegen die Stoffe nicht den Vorschriften des Waffengesetzes. Es darf daher erlaubnisfrei erworben, besessen und mitgeführt werden. Das Mittel wird typischerweise in Sprühdosen oder Sprühpistolen verkauft. Schreckschusspistolen hingegen fallen unter das Waffengesetz, und eine dienstliche Verwendung ohne Befugnis steht unter Strafe.
Unmittelbar vor Dienstbeginn muss die Ausrüstung auf deren Funktionsfähigkeit und Vollständigkeit untersucht werden. Das Unternehmen hat die Ausrüstung auszuwählen und zu beschaffen und muss sie vor Dienstantritt kostenlos zur Verfügung stellen. Der Arbeitnehmer ist zur ordnungsgemäßen Pflege und Aufbewahrung verpflichtet. Mängel müssen umgehend gemeldet und die Tätigkeit bis zur Wiederherstellung unterbrochen werden.