
Veröffentlicht am: 12.03.2021
Raphael aus der Wiesche
Raphael aus der Wiesche ist am 18.07.1997 in Neu-Ulm geboren. 2016 hat er erfolgreich sein Abitur abgeschlossen und im selben Jahr mit dem Studium der Rechtswissenschaften an der Friedrich-Wilhelms – Universität in Bonn begonnen.
Seit 2017 lebt und studiert er in Berlin.
In seinem Studium interessiert er sich besonders für das allgemeine Sicherheits- und Ordnungsrecht.
Betrieblicher Gesundheitsschutz und die Rechte von Arbeitgebern bei Krankmeldung
Ein Krankheitstag führt für das Unternehmen zu einem Verlust von durchschnittlich 112 Euro. Bei 17,2 Krankheitstagen, die im Jahr 2016 auf einen Arbeitnehmer entfallen, ergibt dies insgesamt eine Einbuße von 75 Milliarden Euro jährlich! Gute Gründe, sich mal mit dem Thema Gesundheit auseinanderzusetzen. Je besser die Arbeitsatmosphäre, desto seltener werden die Beschäftigten krank. Ein gutes Betriebsklima zahlt sich also für den Betrieb sprichwörtlich aus.
Gleichzeitig ist die schwer abschätzbare Quote von „Blaumachern“ nicht zu vernachlässigen. Etwa jeder fünfte Arbeitnehmer lässt sich im Jahr mindestens einen Tag lang missbräuchlich krankschreiben. Doch so negativ Arbeitsunfähigkeit auch ist. Mitarbeiter, die trotz Krankheit im Betrieb erscheinen, rufen durch Ansteckungsgefahren noch nachteiligere Folgen hervor.
Was kann ich tun, um die Gesundheit meiner Arbeitnehmer zu stärken?
Zunächst hängt die Gesundheit letztendlich vom Engagement und Lebensstil des einzelnen Mitarbeiters ab. Dennoch stehen dem Arbeitgeber vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, um die betriebliche Gesundheit zu steigern. Der Arbeitsplatz sollte so gesundheitsschonend wie möglich gestaltet werden. Dies ergibt sich aus den Bestimmungen des § 3 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG). Demnach muss der Arbeitgeber die „erforderlichen Maßnahmen unter Berücksichtigung der Umstände“ treffen. Besonders in der kalten Jahreszeit ist dafür Sorge zu tragen, dass Beschäftigte im Außendienst mit entsprechender Arbeitskleidung versorgt sind. Lärmbelästigungen sind zu verhindern. Kostenloses Mineralwasser oder frisches Obst sind hilfreich. Großbetriebe können beim Catering auf gesundheitsbewusste Anbieter zurückgreifen oder Kooperationen mit Fitnessstudios eingehen.
Ist ein Arbeitnehmer einmal ernstlich erkrankt, können eine Karte oder Blumen nach Hause beziehungsweise ins Krankenhaus geschickt werden. Die Geste vertieft die Bindung zwischen Betrieb und Erkranktem einerseits, andererseits ist es auch ein positives Signal gegenüber den übrigen Mitarbeitern im Sinne eines arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsklimas und einer kollegialen Atmosphäre.
Gesundheit von Nacht- und Schichtarbeitnehmern
In der Sicherheitsbranche muss häufiger nachts gearbeitet werden. Fest steht, dass Nacht- und Schichtarbeit die Gesundheit vergleichsweise hoch belasten. Deshalb ist die „Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer gemäß § 6 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen“.
Krankheitsbedingte Ausfälle werden vermieden, wenn man Faktoren hinreichend berücksichtigt, die sich auf das körperliche und psychische Wohlbefinden auswirken. Nachtarbeit sollte möglichst vermieden und auf das verfügbare Personal aufgeteilt werden. Durch Dauernachtarbeit wird das Immunsystem anfälliger für Krankheiten. Außerdem führt das damit einhergehende Schlafdefizit zu einer Leistungsminderung, schlimmstenfalls zu Unfällen. Daher sind kurz-vorwärts-rotierende Schichtsysteme gesünder und sozialverträglicher im Vergleich zu lang-rotierenden Schichtsystemen. Zum Beispiel 2 Früh-, 2 Spät-, 2 Nachtschichten anstelle von wochenweisen Schichtwechseln.
Darf eine Kündigung während einer Krankheit erklärt werden?
Krankheit schützt nicht vor Kündigung: Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis auch dann beenden, wenn der zu Kündigende zu diesem Zeitpunkt krankgeschrieben ist. Nicht nur das: Der Arbeitgeber kann auch gerade deshalb kündigen, weil der Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum auf das Jahr gerechnet ausfällt. Dies gilt für Langzeiterkrankungen genauso wie für häufige Kurzerkrankungen. Sofern das Arbeitsverhältnis länger als sechs aufeinander folgende Monate bestand und der Betrieb mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt, richtet sich die Kündigung wegen Krankheit nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Das KSchG schreibt in § 1 Abs. 1 vor, dass eine Kündigung nur aus bestimmten Gründen erklärt werden darf und stets sozial gerechtfertigt sein muss.
Großbetriebe müssen schärfere Anforderungen als Kleinbetriebe einhalten, da sie einen leistungsschwächeren Arbeitnehmer besser verkraften können als Kleinbetriebe. Nach § 1 Abs. 2 KSchG darf eine Kündigung nur aus persönlichen, betrieblichen oder verhaltensbedingten Gründen erfolgen. Das Verhalten beschreibt Dinge, auf die der Mitarbeiter Einfluss hat. Zum Beispiel das Sozialverhalten gegenüber Kollegen und Arbeitgeber. Oder, dass der Konsum von Alkohol oder Betäubungsmitteln während und vor der Arbeitszeit unterlassen wird.
Die personenbedingte Kündigung hingegen bezieht sich allgemein auf die mangelnde Eignung des Mitarbeiters. Darunter fallen Kündigungsgründe, auf die die Person keinen Einfluss hat beziehungsweise nichts ändern kann. Für gewöhnlich kann der Beschäftigte nichts dafür, dass er häufig krank ist. Bei Krankheit kommt daher die personenbedingte Kündigung in Betracht.
Kündigung wegen Langzeiterkrankung
Bei der Kündigung wegen Langzeiterkrankungen müssen die betrieblichen Interessen und sozialen Gesichtspunkte in einen interessenschonenden Ausgleich gebracht werden. Die Interessen des Betriebes und dem Mitarbeiter müssen ausgeglichen sein. Der Arbeitgeber muss die Trennung von seinem Mitarbeiter sozial rechtfertigen können. Denn mit dem Arbeitsplatz wird die finanzielle und soziale Lebensgrundlage ins Wanken gebracht.
Eine Kündigung infolge Langzeiterkrankung ist nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.11.2014 gerechtfertigt, wenn:
1. der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung arbeitsunfähig erkrankt ist und keine Anzeichen bestehen, dass er die Arbeitsfähigkeit innerhalb der nächsten 24 Monate wiedererlangt
2. die prognostizierte Arbeitsunfähigkeit dem Betrieb erheblich schadet beziehungsweise die betrieblichen Interessen einschränkt
3. der Arbeitgeber keine anderweitigen Möglichkeiten beziehungsweise Überbrückungsmaßnahmen hat, um den Arbeitnehmer alternativ zu beschäftigen.
Häufige Kurzerkrankungen
Auch eine kurze, sich wiederholende Leistungsunfähigkeit kann schlimmstenfalls zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Kurzerkrankungen sind unregelmäßige Ausfälle, die sich im Voraus nicht planen lassen und unberechenbar oft hintereinander auftreten können. Dazu gehört auch eine eintägige Arbeitsunfähigkeit. Umstritten ist, wann das „Maß voll ist“ oder – juristisch ausgedrückt – die betrieblichen Interessen den arbeitnehmerseitigen Anspruch auf Weiterbeschäftigung übersteigen. Aufschlussreich sind Urteile von Arbeitsgerichten aus vergangenen Streitigkeiten. Sechs Wochen oder längere Fehlzeiten können eine Kündigung zur Folge haben. Vorher ist dies auf keinen Fall möglich.
Generell kann man bei kürzerer Arbeitsunfähigkeit nicht schematisch entscheiden, sondern muss die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Wie im Schema oben, muss der Arbeitgeber beweisen können, dass sich Kurzerkrankungen bei Person X auch in Zukunft überdurchschnittlich häufen werden. Dann muss er darlegen, dass es dadurch zu einer Einschränkung unternehmerischer Interessen kommt. Zuletzt müssen soziale Aspekte des Beschäftigten berücksichtigt werden. Dazu gehören familiäre Hintergründe, die Dauer der Betriebszugehörigkeit oder das Alter. Da ältere Personen einen schwierigen Zugang zum Stellenmarkt haben, ist diese Berufsgruppe besonders nachsichtig zu behandeln.
Darf ich das Attest anzweifeln?
Etwa zehn Prozent aller erwerbstätigen Deutschen gaben in einer Umfrage der Marktforschungsgruppe Harris Interactive zu, mindestens einmal blau gemacht zu haben. In der Alltagssprache geht sogar der Ausdruck „gelber Urlaubsschein“ als Synonym für das ärztliche Attest um. Aber berechtigt eine Krankschreibung den Arbeitnehmer uneingeschränkt dazu, ohne Konsequenzen zuhause bleiben zu dürfen?
Im Regelfall besteht Attestpflicht ab dem dritten Krankheitstag. Ich darf drei Werktage im Bett liegen, am vierten Arbeitstag muss der „gelbe Schein“ beim Arbeitgeber vorliegen. Von diesem gesetzlichen Regelfall kann allerdings durch den Arbeitsvertrag abgewichen werden. Das heißt, der Betrieb kann das Schreiben auch schon am ersten Tag verlangen, wenn er dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag kenntlich gemacht hat und der Mitarbeiter dem zugestimmt hat. Ob der Arbeitnehmer den Krankheitsgrund nennt oder nicht, liegt aber in seiner Hand. Aus Gründen der Privatsphäre kann er derartige Fragen des Vorgesetzten unbeantwortet lassen, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.
Dem Arbeitgeber steht es jederzeit frei, die vorgelegte Bescheinigung anzuzweifeln. Er kann es unter dem Vorwand zurückweisen, bei dem Dokument handele es sich nur um eine unbeachtliche Gefälligkeit des Arztes. Allerdings liegt die Beweislast dann beim Arbeitgeber. Er muss beweisen, dass das Attest nicht zuverlässig ist. Und so ein ärztliches Zeugnis ist grundsätzlich von hoher Beweiskraft. Der Personalverantwortliche müsste daher gute Anhaltspunkte nennen können, die an der Echtheit des Attestes Zweifel erregen und die Zurückweisung rechtfertigen. Eine ärztliche Beurlaubung ist beispielsweise unglaubwürdig, wenn ein gesunder Arbeitnehmer seine „Krankheit“ ankündigt oder krankgeschriebene Mitarbeiter in derselben Zeit für ein konkurrierendes Unternehmen arbeiten. Einen solchen Fall hatte das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern im Oktober 2014 verhandelt (Aktenzeichen 5 Sa 63/11).
Spektakulär ist der sogenannte Paletta-Prozess, der insgesamt elf Jahre dauerte und im Jahr 1992 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschieden wurde. Ein Industrie-betrieb wehrte sich wegen des Verdachts auf Rechtsmissbrauch gegen eine vierköpfige Familie. Mehrmals meldete sich die gesamte Familie zur gleichen Zeit am Ende des Sommerurlaubs krank und legte hierfür ein italienisches Attest vor. Der Betrieb erteilte trotz Bescheinigung die fristlose Kündigung. Denn der Verdacht lag nahe, dass das Attest regelmäßig zur Verlängerung der Urlaubszeit instrumentalisiert wurde. Das zuständige Landgericht erklärte die Kündigung für rechtens, nachdem Familie Paletta sich dagegen wehrte. Der EuGH hob das Urteil auf und entschied arbeitnehmerfreundlicher. Demnach reichen bloße Missbrauchsindizien nicht aus, und handfeste Beweise sind erforderlich.
Wie finde ich Beweise? Welche Schritte dürfen hierzu unternommen werden?
Trotz des hohen Beweiswertes eines ärztlichen Attests ist der Personalverantwortliche nicht vollkommen handlungsunfähig. Er könnte sich an den medizinischen Dienst der Krankenkassen oder den Arbeitnehmer direkt wenden. Im Zweifelsfall kann die Krankenkasse ein Gutachten erstellen. Dieses Gutachten besteht aus einem vom Mitarbeiter auszufüllenden Fragebogen. Allerdings ist diese Checkliste nicht fälschungssicher. Mit etwas Sachverstand könnte der Krankgeschriebene falsche Angaben machen, die keinen anderen Schluss als Krankheit zu lassen.
Am erfolgsversprechendsten wäre eine Strategie, durch welche der Mitarbeiter auf frischer Tat ertappt wird. Also, wenn man den Arbeitnehmer bei einer Tätigkeit erwischt, die er wegen Krankheit nicht hätte ausüben dürfte. Zum Beispiel bestimmte Freizeitaktivitäten oder Tätigkeiten für ein konkurrierendes Unternehmen. Hierzu müsste der Verdächtigte dabei beobachtet werden. Detekteien sind darauf spezialisiert, solche Privatermittlungen durchzuführen. Das kann je nach Intensität die Privatsphäre erheblich einschränken. Daher sind solche Nachforschungen nur bei Bestehen eines begründeten Verdachts zulässig.
Auch wenn triftige Anhaltspunkte bestehen, müssen die Detektive das Datenschutzrecht beachten. Die Ermittler dürfen weder das Grundstück zu Spionagezwecken betreten noch durch das Fenster spitzeln. Da es bisweilen an rechtlich geregelten Bildungsvorgaben für den Betrieb einer Detektei mangelt, kommt es zu erheblichen Unterschieden zwischen den Dienstleistern. Arbeitgeber sollten nur professionelle Detektive beauftragen, die mit dem Datenschutzrecht vertraut sind. Denn bei Verstößen dürfen die gesammelten Beweise nicht verwertet werden. Allerdings bedeuten professionelle Privatermittlungen auch höhere Kosten.
Der Arbeitgeber kann sich das Geld für den Detektiv auch sparen und persönlich recherchieren. Unter Umständen hat er sogar weitreichendere Möglichkeiten. Er darf beispielsweise in sozialen Netzwerken nachforschen. Sofern der Arbeitnehmer den Vorgesetzten als Kontakt akzeptiert hat und sein Profil öffentlich ist, muss er solche Nachforschungen hinnehmen. Hört der Betrieb von Bekannten, dass ein Mitarbeiter trotz Attest gerade für ein anderes Unternehmen arbeitet, darf der Vorgesetzte sich vergewissern und den Ort aufsuchen. Vertrauenswürdige Hinweise von Bekannten dürfen aber nicht als Vorwand zur Dauerüberwachung missbraucht werden. Das Auskunftsrecht ist auf eine einmalige Recherche beschränkt.
Mögliche Konsequenzen des „Blaumachens“
Kann der Arbeitgeber dem Mitarbeiter „Blaumachen“ nachweisen, stehen im verschiedene Sanktionsmittel zur Verfügung. In schwerwiegenden Fällen könnte er eine außerordentliche Kündigung erklären. Diese Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung gesetzlicher Kündigungsfristen, weshalb man auch alternativ von fristloser Kündigung spricht. Sie ist daher „das schärfste Schwert“ des Arbeitgebers. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat schwerwiegende soziale Folgen für den Gekündigten. Denn aufgrund einer dreimonatigen Sperrzeit bekommt dieser für den Zeitraum nicht einmal Arbeitslosengeld.
Als glimpflichstes Mittel käme eine Abmahnung mit einer Lohnkürzung für den Zeitraum der Krankschreibung in Betracht. Durch die Abmahnung wird pflichtwidriges Verhalten gerügt. Das Dokument beinhaltet auch eine Warnung, dass erneute Verstöße zur Kündigung führen. Außerdem dient die Abmahnung als Beweismittel. Denn wenn der Betrieb einem Beschäftigen kündigt, muss er im Einzelfall gegebenenfalls nachweisen können, dass er vorher mildere Sanktionsmittel erfolglos probierte.