Veröffentlicht am: 19.09.2018

Raphael aus der Wiesche

Raphael aus der Wiesche ist am 18.07.1997 in Neu-Ulm geboren. 2016 hat er erfolgreich sein Abitur abgeschlossen und im selben Jahr mit dem Studium der Rechtswissenschaften an der Friedrich-Wilhelms – Universität in Bonn begonnen.
Seit 2017 lebt und studiert er in Berlin.
In seinem Studium interessiert er sich besonders für das allgemeine Sicherheits- und Ordnungsrecht.

Kündigungsschutzgesetz

Das Kündigungsschutzgesetz (kurz KSchG) bewahrt Arbeitnehmer, Angestellte und in Heimarbeit Beschäftigte vor gewillkürten Entscheidungen des Arbeitgebers. Durch verschärfte Kündigungsfristen und die Erfordernis einer sozialen Rechtfertigung sind der Beendigung von Arbeitsverhältnissen Grenzen gesetzt. Dasselbe kann für die Einführung von Kurzarbeit gelten. Im Prinzip gelten die Schranken des Schutzgesetzes für jede einseitige Änderung des Arbeitsvertrages. Das raffinierte Zusammenspiel der Einführung von Kurzarbeit mit dem KSchG wird am Ende des Artikels dargestellt. Vorab ein Schema, anhand dessen Du die Rechtmäßigkeit einer Kündigungserklärung überprüfen kannst.

I. Checkliste Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz
Während die Möglichkeit der arbeitnehmerseitigen Kündigung nur in den seltensten Fällen eingeschränkt wird, gilt es auf Arbeitgeberseite zahlreiche Einschränkungen zu beachten. Das Kündigungsschutzgesetz sorgt dafür, dass ein Arbeitnehmer etwa nur aus bestimmten, sozialgerechtfertigten Gründen entlassen werden darf. Manche Personengruppen sind sogar unkündbar oder nur durch eine behördliche Genehmigung kündbar. Anhand der folgenden Punkte kannst Du die Erfolgschancen einer Kündigungsschutzklage abschätzen.

1. Formsachen

Die Kündigung muss stets schriftlich in Papierform eingereicht werden. Zweite Hürde ist die Einhaltung der korrekten Kündigungsfrist. Die Dauer bemisst sich entweder nach dem in § 622 Abs. 2 BGB gesetzlichen Mindestmaß, den Tarifverträgen oder individuellen Verträgen. Die Kündigungsfristen variieren in Abhängigkeit zur Beschäftigungsdauer.

Nach § 622 Abs. 2 BGB beträgt die Kündigungsfrist für eine arbeitgeberseitige Kündigung, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1. zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2. fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3. acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4. zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5. zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6. 15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7. 20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

Die hier dargelegten Fristmodalitäten treten allerdings hinter vertraglichen Vereinbarungen zurück. Denn der Gesetzgeber überlässt Privaten die Möglichkeit, von den gesetzlichen Fristen abweichende Vereinbarungen zu treffen. Durch Tarifverträge oder individuelle Vereinbarungen können die Fristen stets verkürzt werden. Doch bei schwerbehinderten Arbeitnehmern darf ein Zeitraum von vier Wochen nie unterschritten werden.

2. Achtung: Klagefrist

Das KSchG enthält weitere Fristen, welche zwingend einzuhalten sind, sofern gegen eine Kündigung geklagt werden soll. Grundsätzlich soll innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung geklagt werden (§ 4 KSchG). Anschließend gilt die Entlassung als rechtswirksam. Verspätete Klagen werden nur zugelassen, wenn der Gekündigte unter Berücksichtigung seiner Umstände dazu nicht in der Lage war. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist Kenntnis erlangt hat (§ 5 KSchG).

3. Ausschluss oder Nichtigkeit der Kündigung

Die ordentliche Kündigung ist unwirksam, wenn sie vorher durch Gesetz, Einzel- oder Kollektivverträge ausgeschlossen wurde. Dies ist in der Regel bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen der Fall. Darüber hinaus profitieren nach § 15 KSchG Mitglieder von Organen der Betriebsverfassung und der Personalvertretung vom gesetzlichen Kündigungsverbot. Neben dem Ausschluss kann sich die Unwirksamkeit gegebenenfalls daraus ergeben, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört wurde.
Von einer Nichtigkeit ist zu sprechen, wenn die Kündigung gegen die guten Sitten, Treu und Glauben oder das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB verstößt (Rachekündigung). Ebenso kann sich die Nichtigkeit aus einer fehlenden behördlichen Genehmigung ergeben. Diese Genehmigungspflicht gilt gegenüber bestimmten Personengruppen. Dazu zählen vor allem schwangere oder stillende Mütter, Eltern in Elternzeit und schwerbehinderte Menschen.

4. Allgemeiner Kündigungsschutz

In diesem Schritt ist die Kündigungserklärung am Schutzgehalt des Kündigungsschutzgesetz zu prüfen. Auf das Kündigungsschutzgesetz können sich nur Arbeitnehmer berufen, die mindestens sechs Monate ununterbrochen in dem Betrieb beschäftigt gewesen sind. Angestellte in Kleinbetrieben sind vom Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetz gesperrt. Bestand das Arbeitsverhältnis bereits vor dem 01.01.2004, muss der Betrieb mindestens fünf Arbeitnehmer beschäftigen, bei Arbeitsverhältnissen, die zu einem späteren Zeitpunkt eingegangen wurden, zehn Beschäftigte. Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, gelten für den Arbeitgeber verschärfte Kündigungsrechte. Er muss die Entlassung aus einem „sozial gerechtfertigten“ Grund vornehmen. Man unterteilt in personenbedingte, verhaltensbedingte und betriebsbedingte Rechtfertigungsgründe.
Bei der personenbedingten Kündigung liegt ein persönlicher Eignungsmangel vor. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt, wenn der Eignungsmangel nicht mit der verlangten Tätigkeit zu tun hat oder Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gegeben sind. Aufgrund der persönlichen Fähigkeiten, Eigenschaften oder inneren Überzeugung muss das Erbringen der vertraglich verlangten Leistung unmöglich sein. Dazu zählen insbesondere lang andauernde Erkrankungen oder häufige Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers. Kommt es zu einem Rechtsstreit, prüft das Arbeitsgericht, ob die Interessen des Arbeitgebers und Arbeitnehmers in einem angemessenen Gleichgewicht stehen. Alter und Dauer der Beschäftigung wirken sich günstig auf den Arbeitnehmer aus und können die Chancen einer Klage erhöhen. Wird wegen einer häufigen oder langen Erkrankung gekündigt, ist der finanzielle Aufwand zu bemessen, welcher bei einer Weiterbeschäftigung entstehen würde. Dies bemisst sich im Wesentlichen nach der Höhe der Entgeltfortzahlungen.
Verhaltensbedingte Kündigungen sind gerechtfertigt, sofern eine Pflichtverletzung vorliegt, die der Arbeitnehmer verschuldet hat. Dazu zählen auch Nebenpflichten. Eine Verletzung von Nebenpflichtverletzungen liegt zum Beispiel beim unberechtigten Krankfeiern, häufigem Zu-Spät-Kommen, Alkoholkonsum während der Arbeitszeit oder bei Beleidigungen gegenüber Kollegen vor. Eine Kündigung wegen eines leichten Vergehens ist nur zulässig, wenn es trotz Abmahnung zu Wiederholungsfällen kam. Schwere Verstöße bedürfen keiner vorherigen Abmahnung. Durch dieses Erfordernis wird sichergestellt, dass die Kündigung nur als letztes Mittel („ultima ratio“) erklärt werden darf. In jedem Fall führt das Arbeitsgericht im Falle einer Klage wieder eine Interessensabwägung durch.
Betriebsbedingte Kündigungen erfordern ebenfalls einen vernünftigen Kündigungsgrund. Die betriebsbedingte Kündigung wird oftmals bei der Stilllegung, Auslagerung oder Umstrukturierung einer Abteilung erteilt. Überdies darf auch hier keine Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung bestehen. In einer Interessensabwägung sind die Interessen auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zu beurteilen. Die betriebsbedingte Kündigung ist unrechtmäßig, wenn schutzwürdige Belange des Gekündigten die Interessen des Arbeitgebers übersteigen. Schließlich müssen neben der Interessensabwägung vor allem soziale Gesichtspunkte bei der Auswahl der zu kündigenden Personen berücksichtigt werden. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 3 bis 5 KSchG. Bei der Sozialauswahl sind alle miteinander vergleichbaren (austauschbaren) Personen miteinzubeziehen. Maßgeblich für die Auswahl sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten, die Schwerbehinderungen, die Pflegebedürftigkeit von Familienmitgliedern, die Schwierigkeiten bei der Arbeitsvermittlung sowie die Alleinverdienerschaft und soziale Härten im Einzelfall.

II. Kurzarbeit
Kurzarbeit ist die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit und tritt typischerweise in schlecht laufenden Konjunkturphasen auf. Die Verkürzung der Arbeitszeit wird meist wegen Auftragsmangel oder Lohnfinanzierungsschwierigkeiten angeordnet. Allerdings darf sie nicht durch einseitigen Beschluss vom Arbeitgeber verhängt werden, sondern muss auf einer vertraglichen Grundlage beruhen. Fehlt es an der Ermächtigungsgrundlage, behält der Arbeitnehmer seinen vollen Vergütungsanspruch. Als Grundlage kommen tarifvertragliche und einzelvertragliche Abreden oder eine Betriebsvereinbarung in Betracht. Ergibt sich aus dem Tarifvertrag keine Ermächtigung, kann Kurzarbeit nicht ohne Mitbestimmung des Betriebsrates eingeführt werden. Fehlt es auch an der betrieblichen Grundlage, kann die Verkürzung der Arbeitszeiten mit Entgeltausfall nur mit Zustimmung des betroffenen Mitarbeiters durchgesetzt werden. Denn Kurzarbeit stellt eine Vertragsänderung dar. Und Vertragsänderungen können nicht einseitig durch eine Partei vorgenommen werden.
Bei Verweigerung des Einverständnisses steht dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit offen, sich vom gesamten Vertrag durch eine Kündigung zu lösen. Da er das Arbeitsverhältnis jedoch eigentlich aufrechterhalten will, ist diese Kündigung zugleich mit einem Angebot verbunden, den Arbeitsvertrag mit einer Änderung (Einführung von Kurzarbeit) fortzuführen. Man bezeichnet diesen Vorgang als Änderungskündigung. Auch bei der Änderungskündigung genießt der Arbeitgeber Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, und der Arbeitgeber muss seine Entscheidung rechtfertigen können. Ebenso sind die Kündigungsfristen (siehe oben) einzuhalten. Bis zum Ablauf der jeweiligen Frist ist dem Mitarbeiter der volle Lohn auszuzahlen.