
Veröffentlicht am: 05.09.2021
Raphael aus der Wiesche
Raphael aus der Wiesche ist am 18.07.1997 in Neu-Ulm geboren. 2016 hat er erfolgreich sein Abitur abgeschlossen und im selben Jahr mit dem Studium der Rechtswissenschaften an der Friedrich-Wilhelms – Universität in Bonn begonnen.
Seit 2017 lebt und studiert er in Berlin.
In seinem Studium interessiert er sich besonders für das allgemeine Sicherheits- und Ordnungsrecht.
Unterweisung nach § 12 Arbeitsschutzgesetz
Hinter der Unterweisung nach § 12 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verbergen sich mehr als nur bürokratische Formeln. Die Bereitstellung sicherheitsrelevanter Informationen markiert den Startpunkt betrieblicher Sicherheitskonzepte. Der Dialog zwischen Unternehmen und Mitarbeiter ist für das Sicherheitsbewusstsein unumgänglich. Der Arbeitnehmer kann seiner Verpflichtung, Schäden rechtzeitig zu erkennen und zu melden, nur sinnvoll nachkommen, wenn er über gegenwärtige Risiken ordnungsgemäß informiert wurde. In der Sicherheitsbranche sind neben dem ArbSchG weitere Schutzvorschriften zu beachten. Wie sieht es im privaten Sicherheitsgewerbe mit Sondervorschriften aus? Wen trifft die Pflicht zur Unterweisung bei der Arbeitnehmerüberlassung? Dazu gleich mehr. Zunächst ein Überblick über die Zielsetzung und Durchführung.
Zielbestimmung
Die Unterweisung soll dem Arbeitnehmer eine Chance geben, Unfallgefahren und Gesundheitsgefährdungen rechtzeitig erkennen zu können. § 12 ArbSchG strebt folglich die Umsetzung sicherheitsgerechten Verhaltens an. Die Unterweisung umfasst Informationen zum individuellen Arbeitsplatz sowie allgemeinere Erläuterungen und Anweisungen.
Gesetzliche Grundlage
Nach § 12 Abs. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass die Unterweisung zwingend ist. Sie gehört zum Umfang des aus dem Arbeitsvertrag resultierenden Leistungsverhältnisses. Der Arbeitnehmer kann seine Arbeitsleistung zurückhalten und behält dabei sein Recht auf Bezahlung, wenn die Unterweisung nicht ordnungsgemäß erbracht wird. Auf der anderen Seite gehört es zu seinen Pflichten, den Erläuterungen aufmerksam zu folgen und bei Unklarheiten Fragen zu stellen. Die Verhinderung von Schäden zählt schließlich zu den elementaren Nebenpflichten des Arbeitnehmers. Neben § 12 ArbSchG ergibt sich die Pflicht zur Unterweisung auch aus den arbeitsvertraglichen Schutz- und Fürsorgepflichten und aus § 81 Betriebsverfassungsgesetz. Die Inhalte der Unterweisung richten sich in ihren Grundzügen nach § 12 ArbSchG.
Erstunterweisung und Wiederholungsunterweisung
Es gibt die Erstunterweisung und Wiederholungsunterweisungen. Die Erstunterweisung wird bei Antritt des Arbeitsverhältnisses erteilt. Ebenso ist eine Unterweisung erforderlich, wenn sich im Betrieb etwas ändert, was für die Sicherheit relevant ist (Wiederholungsunterweisung).
Dazu zählen vor allem:
- die Einführung neuer Arbeitsmittel
- veränderte Aufgabenzuweisung eines Arbeitnehmers
- die Verwendung einer neuen Technologie
- die Anpassung an die Gefährdungsentwicklung
- Erkenntnisse aus Betriebsbesichtigungen
- Unfälle oder Beinaheunfälle
Durchführung
Was umfasst alles eine ausreichende und angemessene Unterweisung im Sinne des Gesetzes? Zunächst muss der Inhalt auf den Arbeitsplatz konkret zugeschnitten sein. Die Unterweisung umfasst Anweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet sind. Es ist über bestehende beziehungsweise einzuhaltende Sicherheitsmaßnahmen Auskunft zu erteilen. Dazu zählen neben Hinweisen, die nur für den bestimmten Arbeitsplatz gelten, auch allgemeine Hinweise, zum Beispiel Erste-Hilfe-Maßnahmen, das Besprechen von Flucht- und Rettungswegen und das Verhalten im Brandfall. Werdende Mütter sind auf Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft zu unterrichten.
Häufig begnügen Betriebe sich mit der Aushändigung eines einfachen Merkblattes. Allerdings erfordert § 12 ArbSchG, die erheblichen Gesichtspunkte mündlich darzulegen und die wichtigsten Aspekte besonders zu betonen. Kommen bei der zu verrichtenden Tätigkeit technische Geräte zum Einsatz, so muss die Bedienungsanleitung mit einbezogen werden. In jedem Fall muss die Unterweisung vor Aufnahme der Arbeitsleistung und während der Arbeitszeit erfolgen.
Die Unterweisung muss nicht vom Vorgesetzten persönlich durchgeführt werden und kann auf eine Fachkraft für Arbeitssicherheit oder auf den Betriebsarzt übertragen werden. Aus Beweisgründen sollte dies schriftlich erfolgen, zum Beispiel durch eine betriebliche Anordnung. Denn durch die Delegation auf eine Fachkraft befreit sich der Arbeitgeber von seiner Verantwortlichkeit für die ordnungsgemäße Durchführung. Bei der Arbeitnehmerüberlassung trifft die Pflicht den Entleiher (§ 12 Abs. 2 ArbSchG), also den Betrieb, in dem die entliehenen Arbeitskräfte tätig sind. Sonstige Pflichten, wie zum Beispiel die Bereitstellung der persönlichen Schutzausrüstung, bleiben unberührt. In der Praxis kommt es beispielsweise bei der Sicherheit von Großveranstaltungen zur Arbeitnehmerüberlassung. Dann ist eine kleine Unterweisung bezüglich der Durchführung von Taschenkontrollen nötig.
Anhand dieses Beispiels sollen folgende Schritte verdeutlichen, wie eine effektive Unterweisung abläuft:
Der Einsatzleiter muss zunächst untersuchen, ob der Mitarbeiter über Vorwissen verfügt und darauf aufbauend Informationen vermitteln. Kurzes Nachfragen, ob bereits Erfahrungen im Rahmen von Großveranstaltungen gemacht wurden.
Nicht nur in der Theorie, sondern auch durch Zeigen/Demonstrieren/Vorführen angestrebte Verhaltensweisen erläutern, d.h. aufzählen verbotener Gegenstände und gegebenenfalls Bilddarstellungen zeigen.
Sicherheitsadäquates Verhalten üben lassen. Zum Beispiel einen Rucksack auf dem Tisch entleeren lassen. Betonen, dass unübersichtliche Gegenstände beiseitegelegt werden müssen und möglichst nur mit Inaugenscheinnahme zu begutachten sind.
Am Ende der Unterweisung Effektivität durch Testfragen und kurze Kontrollen überprüfen, Anweisungen bei Bedarf wiederholen.
Arbeiten in gefährlichen Bereichen
Für Tätigkeiten in gefährlichen Bereichen sind verschärfte inhaltliche Anforderungen an die
Unterweisung zu beachten. Dies ergibt sich aus § 9 ArbSchG. Der Arbeitnehmer ist möglichst frühzeitig über die Gefahr und die getroffenen oder zu treffenden Schutzmaßnahmen zu unterrichten. Bei unmittelbarer erheblicher Gefahr für die eigene Sicherheit oder die Sicherheit anderer Personen müssen die Beschäftigten die geeigneten Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und Schadensbegrenzung selbst treffen können, wenn der zuständige Vorgesetzte nicht erreichbar ist.
Konkrete Unterweisungspflichten in der Sicherheit
Bei bestimmten Tätigkeiten werden die mehrdeutigen Begriffe „angemessen“ und „ausreichend“ aus § 12 ArbSchG durch Sondervorschriften konkretisiert. Dazu zählen neben der Gefahrstoffverordnung und der Strahlenschutzverordnung auch die für die Sicherheitsbranche äußert relevante PSA-Benutzerverordnung. Die PSA-Benutzerverordnung regelt im Speziellen die Unterweisung in die Benutzung der persönlichen Schutzausstattung. Je nach Komplexität kann eine praktische Schulung in der Benutzung der persönlichen Schutzausrüstung erforderlich sein.
Auch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben in den Unfallverhütungsvorschriften (kurz UVV) Art und Umfang der Unterweisung ausgestaltet. Wichtigste UVV ist § 4 „Grundsätze der Prävention“. Diese Vorschrift bestimmt, dass die Unterweisung gemäß § 12 ArbSchG der Versicherten vom Unternehmer mindestens einmal jährlich durchgeführt werden muss, für Jugendliche nach § 29 Jugendarbeitsschutzgesetz sogar halbjährlich! Der Unternehmer muss die relevanten Inhalte der geltenden Unfallverhütungsvorschriften und BG-Regeln sowie des einschlägigen staatlichen Vorschriften- und Regelwerks in verständlicher Weise vermitteln. Für Wach- und Sicherheitsdienste ist die DGUV Vorschrift 23 einschlägig.
Fahrzeuge
Ist die zu verrichtende Tätigkeit mit Fahrzeugen auszuführen, so entstehen Unfälle häufig durch Stress und Zeitdruck. In der Unterweisung sollte darauf hingewiesen werden, dass auch beim Alarmeinsatz die Straßenverkehrsordnung gilt und keine Hoheitsrechte. Ebenso sollte an die Anschnallpflicht erinnert werden und an die ordnungsgemäße Dokumentation, falls es zu einem Unfall kommen sollte.
Wachhunde
Kommen Wachhunde zu Einsatz, sind dem Hundeführer die Mittel zur sachgerechten Haltung zu zeigen. Er wird über die Zwinger und die Betätigung der Fütterungs- und Tränkeeinrichtung informiert. Ebenso muss der Beschäftigte über das sachgerechte Verhalten im Bereich der Hundehaltung unterwiesen werden.
Revierdienst
Bei Revierdiensten ist der Mitarbeiter über den Umgang mit Einbrechern aufzuklären. Er wird vom Einsatzleiter über die Rechte und Grenzen des Hausrechts, vereinbartes Vorgehen, Eigensicherung und den Umgang mit Konflikten informiert. Falls es auf dem Gelände zu Sturz- oder Stolperunfällen kommen kann, muss geeignetes Schuhwerk benannt und zur Verfügung gestellt werden. Gegebenenfalls müssen rutschige oder schlecht belichtete Stellen auf dem Gelände gezeigt werden.
Dokumentation
Während die staatliche Unterweisungspflicht grundsätzlich formfrei ausgeführt werden darf, ist nach den berufsgenossenschaftlichen Normen eine schriftliche Dokumentation zwingend.
In der Dokumentation sollten enthalten sein:
- Datum der Unterweisung
- besprochene Inhalte
- Name des Unterwiesenen und Erklärung, dass alle Inhalte verstanden worden sind
- Name des Verantwortlichen für die Durchführung
- beiderseitige Unterschrift