
Veröffentlicht am: 25.03.2021
Raphael aus der Wiesche
Raphael aus der Wiesche ist am 18.07.1997 in Neu-Ulm geboren. 2016 hat er erfolgreich sein Abitur abgeschlossen und im selben Jahr mit dem Studium der Rechtswissenschaften an der Friedrich-Wilhelms – Universität in Bonn begonnen.
Seit 2017 lebt und studiert er in Berlin.
In seinem Studium interessiert er sich besonders für das allgemeine Sicherheits- und Ordnungsrecht.
Was darf ich? Was kann ich? Was muss ich?
Das Geschäft mit der Sicherheit blüht: während in den 1970er Jahren noch ca. 40.000 Personen in der privaten Sicherheitsbranche tätig waren, hat sich die Zahl verzehnfacht, und heute sind schätzungsweise 400.000 Menschen in Deutschland in diesem Bereich tätig. Allein 170.000 Arbeiter sind im Wachdienst tätig. Je präsenter das Sicherheitspersonal im Stadtbild wird, desto öfter stellt sich die Frage nach den Rechten und Pflichten dieser Beschäftigten.
I. Jedermannsrechte
Die Befugnisse eines Sicherheitsdienstes hängen vom Einsatzort ab. In Kaufhäusern oder Diskotheken gelten andere Regeln als im öffentlichen Raum, da Gäste durch den Kauf einer Eintrittskarte automatisch die Hausordnung akzeptieren. Grundsätzlich sind Sicherheitsarbeiter mit keinerlei Sonderrechten ausgestattet. Sie haben dieselben Rechte wie jede andere Privatperson. Darüber hinaus steht ihnen das Hausrecht zu, wenn es vom Besitzer übertragen wurde und in einer Dienstanweisung konkretisiert ist.
Nach Paragraf 34a Abs. 1 GewO können sich Sicherheitsdienste bei ihrer Tätigkeit auf die Rechte berufen, die jedermann als Notwehr-, Notstand- oder Selbsthilferechte zustehen oder solche Selbsthilferechte, die ihnen von ihrem Auftraggeber vertraglich übertragen wurden. Man spricht von den sogenannten Jedermannsrechten. Der Einsatz von Gewalt ist nur in wenigen und streng einzugrenzenden Ausnahmefällen gestattet. Denn das staatliche Gewaltmonopol soll nicht durch Selbstjustiz außer Kraft gesetzt werden. Im Konkreten ist eine Anwendung von Gewalt als Verteidigungsmaßnahme erlaubt, wenn keine Polizei anwesend ist und nicht rechtzeitig eintrifft. Die Anwendung körperlicher Zwangsmaßnahmen muss überdies in einem angemessenen Verhältnis zur Gefährdung stehen. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, macht sich der Handelnde wegen Körperverletzung oder Freiheitsberaubung strafbar.
In einer Diskothek darf das Personal beispielsweise einen Gast nicht einfach so herausprügeln. Liegt ein sachlicher Grund vor, der ein Hausverbot rechtfertigt, ist der ungebetene Gast zunächst mündlich aufzufordern zu gehen und nach draußen zu begleiten. Kommt die Person der Aufforderung nicht nach, handelt es sich um Hausfriedensbruch nach § 123 StGB. Der Sicherheitsmitarbeiter kann die Polizei verständigen und eine Anzeige erstatten. Ein Eingriff in die körperliche Integrität ist jedoch nicht gestattet, denn diese wird durch die Persönlichkeitsrechte des Gastes geschützt. Weitreichender sind die Befugnisse der Sicherheitskraft, wenn der Gast randaliert. Hier ist das Sicherheitsinteresse der übrigen Personen ein Anlass, welcher Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte des Gewalttätigen rechtfertigt.
Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen ist an enge zeitliche Grenzen gekoppelt. Notwehr und Selbsthilfe setzen voraus, dass die Gefahr gegenwärtig ist. Das heißt, die Verwirklichung des ausgehenden Risikos muss unmittelbar bevorstehen oder bereits begonnen haben. Der randalierende Gast aus dem Beispiel oben dürfte nur mit Gewalt festgehalten werden, wenn dies während der Randale oder unverzüglich danach erfolgt. Sofern der Angriff bereits beendet ist und keine Wiederholungsgefahr besteht, dürfen auch keine Verteidigungsmaßnahmen ergriffen werden. Allerdings sind Sicherheitskräfte dazu befugt, Personen bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten. Dies setzt voraus, dass die Person sich nicht freiwillig identifiziert. Weiterhin muss der Verdacht einer begangenen Straftat bestehen oder das Festhalten zum Durchsetzen zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche dienen. Wegsperren und Fesseln sind verboten. Der Verdächtige darf ausschließlich von der Wachperson festgehalten werden. Man spricht von der vorläufigen Festnahme gemäß Paragraf 127 Strafprozessordnung (StPO). Zum Zeitpunkt der vorläufigen Festnahme muss „Gefahr im Verzug“ vorliegen. Dies beschreibt per juristischer Definition eine Sachlage, bei der ein Schaden eintreten würde oder ein Beweismittel verloren ginge, wenn nicht an Stelle der zuständigen Behörde oder Person eine andere Behörde oder Person unmittelbar tätig wird.
Neben den Jedermannsrechten gilt auch die Pflicht zur Hilfeleistung für Sicherheitsdienste. Das Sicherheitspersonal ist dazu verpflichtet, die Sicherheit innerhalb des übertragenen Verantwortungsbereiches zu gewährleisten. Daher müssen sie bei einer Schlägerei einschreiten, sofern keine Gefahr für das eigene Leben besteht. Kommt ein Mitarbeiter dieser Aufgabe nicht nach, macht er sich wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar. Darüber hinaus ist die Polizei zu verständigen. Neben den gesetzlichen Geboten können auch aus der Dienstanweisung vertragliche Handlungspflichten resultieren. Die Dienstanweisung gestaltet die gesetzlichen Mindestvorgaben aus und enthält konkrete Forderungen, die zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung umgesetzt werden müssen.
II. Bewaffnung
In bestimmten Ausnahmefällen sind private Sicherheitspersonen zum Erwerb, Besitz und Führen von Schusswaffen berechtigt. Dies ist nach Paragraf 28 Waffengesetz (WaffG) der Fall, wenn der Gebrauch von Waffen aus Gründen der Sicherung einer gefährdeten Person oder eines gefährdeten Objektes unverzichtbar ist. Unter den Waffenbegriff fallen Schusswaffen und gleichgestellte Gegenstände. Gleichgestellte Gegenstände sind tragbare Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen. Eine Bewaffnung mit unter das Waffengesetz fallenden Waffen ist insbesondere beim Personenschutz, bei Geld- und Werttransporten und der Sicherung von Kernkraftwerken gestattet.
Für den Besitz einer Waffe ist eine waffenrechtliche Erlaubnis (Waffenbesitzkarte) nach Paragraf 10 Abs. 1 WaffG erforderlich. Um die Waffe auch führen zu dürfen, muss ein Waffenschein gemäß Paragraf 10 Abs. 4 WaffG vorliegen. Die Waffenerlaubnis setzt voraus, dass die Sicherheitskraft das 18. Lebensjahr vollendet hat. Sie muss die erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung besitzen. Außerdem muss die Sachkunde nachgewiesen werden. Der Arbeitgeber hat nachzuweisen, dass der Gebrauch für die Sicherheit erforderlich ist und muss eine Haftpflichtversicherung in Höhe von mindestens einer Million Euro abschließen. Erst nachdem diese Voraussetzungen alle erfüllt sind, dürfen Waffe und Munition dem Personal überlassen werden.
III. Hausrecht
Neben den Jedermannsrechten steht der Sicherheitskraft das Hausrecht auf dem zu schützenden Objekt zu. Das Hausrecht bezeichnet die Befugnis zu entscheiden, welche Personen zu welchen Bedingungen ein Grundstück betreten dürfen. Grundsätzlich liegt das Hausrecht beim Eigentümer. Das Eigentum ist die stärkste Rechtsposition, die eine Person über eine Sache haben kann. Das Hausrecht ist ein wichtiges Instrument, um sich gegen Beeinträchtigungen Dritter rechtlich wehren zu können. Es kann vom Eigentümer auf andere Personen übertragen werden. Der Sicherheitsdienst erwirbt es, indem er sich mit dem Grundstücksberechtigten darüber einigt. Die Einigung ist ein sachenrechtlicher Vertrag und kommt durch zwei übereinstimmende und miteinander korrespondierende Willenserklärungen zustande. Das Sicherheitspersonal erwirbt das Hausrecht, indem es ihm innerhalb des jeweiligen Auftrags übertragen wird. Die genauen Rechte und Pflichten, die der Eigentümer an die Arbeiter delegieren möchte, werden in der Dienstanweisung schriftlich fixiert.
Bei Diskotheken, Konzerten, Kinos etc. stellt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Taschen- und Ausweiskontrollen. Denn die Maßnahmen greifen in die Integrität der Person ein. Durch den Kauf einer Eintrittskarte erklärt sich der Gast mit der Hausordnung einverstanden. Die Hausordnung hat den rechtlichen Status allgemeiner Geschäftsbedingungen im Sinne von Paragraf 305 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). AGBs sind insoweit zulässig, solang sie im Einklang mit der Rechtsordnung stehen und nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Somit sind zum Beispiel Taschenkontrollen als Sicherheitsmaßnahme grundsätzlich zulässig.
Der Sicherheitsdienst ist im Zuge des Hausrechts dazu berechtigt, Personen den Zugang zu verweigern. Bei Massengeschäften des täglichen Lebens (z.B. Supermarkt-Einkauf) sieht es etwas anders aus. Hier ist die Rolle des einzelnen Besuchers derartig gering, so dass die sachgrundlose Zutrittsverweigerung untersagt ist. Bei nicht-individuellen Vorgängen müssen die Gebote der allgemeinen Gleichbehandlung gewahrt werden. Das bedeutet, dass bei allgemeinem Publikumsverkehr eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verboten ist. Der Betroffene kann auf Unterlassung einer solchen Diskriminierung klagen und Schadensersatz fordern. Das Hausrecht berechtigt den Inhaber dazu, Gäste auch notfalls zwangsweise herauszusetzen, soweit dies erforderlich ist, um die Hausordnung zu wahren. Ob der Gast ein Recht auf Rückerstattung seines Eintritts hat, wird durch die AGBs geregelt. War das zwangsweise Entfernen sachgrundlos, das heißt willkürlich, steht dem Gast in jedem Fall ein Anspruch auf Rückerstattung zu.