Veröffentlicht am: 24.09.2019

Interview: Marcus Heide
Foto: Frank Potthast

Frank Potthast
Frank Potthast ist seit 2011 ehrenamtlich in der Forschung zum Einsatz von Drohnen bei Hilfsorganisationen tätig und schult Drohnenpiloten. Im Juni 2019 erschien sein Buch „Drohnen bei Security & Co.“

„Das lukrative Geschäftsfeld nicht den großen Wettbewerbern überlassen“

Marcus Heide im Interview mit
Frank Potthast · seit 2011 ehrenamtlich in der Forschung zum Einsatz von Drohnen bei Hilfsorganisationen tätig und schult Drohnenpiloten

Kein Ersatz, sondern Ergänzung: Frank Potthast über den Drohneneinsatz im Sicherheitsgewerbe sowie die Anforderungen an Technik und Piloten

Marktplatz Sicherheit: Herr Potthast, die Bundeskanzlerin würde vermutlich von „Neuland“ sprechen. Tatsächlich erfreuen sich aber „unbemannte Luftfahrzeuge“, wie Drohnen im Beamtendeutsch heißen, längst großer Beliebtheit. Und das nicht nur als Spielzeug für private Anwender, sondern auch in Wirtschaft und Industrie im professionellen Einsatz. Große Marktchancen ergeben sich angeblich auch für den Werkschutz sowie das private Wach- und Sicherheitsgewerbe. Was sind denn mögliche Einsatzfelder?

Frank Potthast: Jede Menge, wo soll ich da nur anfangen? Das vermutlich größte Anwendungsgebiet ist wohl die optische Geländesicherung. Oftmals sind bei einem großen Fabrikgelände oder auf Freiflächen nur wenige Wachleute im Einsatz, sodass sie kaum registrieren können, was am anderen Ende des Grundstücks passiert. Und sie richten ihren Blick auf das Ganze aus einer Höhe von vielleicht 1,85 Metern, je nachdem wie groß sie sind, sofern sie keine Gebäude für einen erhöhten Standort nutzen können. Das lässt sich zwar in begrenztem Maße durch Videoüberwachungskameras ausgleichen. Doch auch die können natürlich nicht alles erfassen, selbst wenn ein so genanntes Multifocal-System im Einsatz ist. Am Ende hängt es von den Kosten ab, wie viele Kameras installiert sind und wie umfassend damit ihr Erfassungsbereich ist. Drohnen mit Kameras machen das mehr als wett: Sie schauen von weit oben aufs Gelände und übertragen die Bilder in Echtzeit auf Monitore, etwa in einer Leitstelle.

Weitere Einsatzfelder?

In der Veranstaltungssicherheit können Videodrohnen Ströme von Menschenmassen und eben auch entsprechende Störungen erfassen. Es lässt sich erkennen, ob Zugänge verstopft sind und wo Alternativen geöffnet werden können. Allerdings ist das Überfliegen von Menschenansammlungen derzeit nicht erlaubt, sodass auf das fliegerische Können des Personals vertraut werden muss, das sich mit der Drohne außerhalb der Gefährdungszonen bewegt. Eine andere Anwendung in diesem Zusammenhang ist die Beschallung. Bei Events oder auch politischen Demonstrationen kann über Drohnen die Ansprache von Teilnehmern erfolgen – mit Warn- und Sicherheitshinweisen oder auch allgemeinen Informationen zu Abläufen oder Handlungsanweisungen. Gleiches gilt für die Beleuchtung, die in bestimmten Fällen eben „von oben“ kommen kann, etwa auf großem Gelände.

Alles schön und gut – jedoch: Vieles ist möglich, aber nicht alles ist erlaubt.

Richtig, die Rechtsprechung hinkt der technischen Entwicklung hinterher – wie so oft. Aus guten Gründen dürfen Menschenmassen bisher nicht überflogen werden. Der Pilot muss grundsätzlich in Sichtweite der Drohne sein, damit er gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen kann, wenn sich Probleme abzeichnen, das GPS oder andere Funktionen ausfallen. Es fehlt aber beispielsweise noch an detaillierten Qualifizierungsregelungen für Piloten, die gerade im professionellen Einsatz ein hohes Maß an Verantwortung tragen. Wenn eine Drohne abstürzt und Menschen trifft – sei es durch menschliches oder technisches Versagen –, kann das tödlich verlaufen. Ein anderes rechtliches Hemmnis ist der Datenschutz. Kameras dürfen öffentliche Bereiche nicht überwachen – gleichgültig, ob sie fest installiert sind oder an einer Drohne hängen. Das ist schon rein praktisch nur sehr schwer zu bewältigen. Stellen Sie sich eine Drohne vor, die in 100 Metern über dem Boden fliegt. Der Blick aufs Firmengelände ist okay, muss aber am Zaun abrupt enden. Schwierig.

Nehmen wir mal an, dass all die juristischen Vorgaben auf mittlere Sicht geklärt sind – wird die Drohne die Wachleute eines Tages verdrängen?

Davon ist nicht auszugehen. Die Drohne ist eine Ergänzung, kein Ersatz. Sie hilft dabei, die Effizienz und Qualität der Sicherheits-Dienstleistung zu steigern, und vor allem, neue Kunden zu gewinnen und völlig neue Dienstleistungen anzubieten.

Dass sich dem Sicherheitsgewerbe ganz neue Chancen für neue Geschäftsfelder bieten, hat sich aber offensichtlich bislang in der Branche nicht herumgesprochen. Securitas hat Drohnen im Portfolio, ein paar Mittelständler auch. VW setzt im Werkschutz ein Drohnensystem ein, das auf Einbruchmeldungen reagiert. Aber der große Durchbruch scheint zumindest im privaten Bewachungsgewerbe noch nicht gelungen.

Das haben Sie leider richtig beobachtet. Innovation und Strategie sind leider nicht gerade die Stärken des Sicherheitsgewerbes. Für den Drohneneinsatz muss man ein strategisches Konzept entwickeln. Damit lässt sich vermutlich nicht von heute auf morgen Umsatz generieren. Aber mittelfristig wird sich das lohnen – sowohl für die Kunden als auch die Dienstleister. Hier wartet ein Geschäftsfeld, das man nicht den großen Wettbewerbern überlassen muss, denn die Investitionen halten sich in Grenzen. Man braucht einfach ein bisschen – Köpfchen.

Lassen sich die Investitionen beziffern?

Es geht nicht um die klassischen Drohnen zur Privatanwendung, die es ja schon für knapp über 100 Euro gibt, sondern um hochwertige, leistungsfähige Geräte, mit deren Hilfe Sicherheitsfirmen in der Lage sein sollen, Hab und Gut zu schützen, womöglich gar Teile von Kritischen Infrastrukturen. Dabei spielen Verarbeitung und Kaskadierungsmöglichkeiten ebenso eine Rolle wie Windstabilität und Witterungsbeständigkeit. Auch das Einsatzfeld ist wichtig: Soll die Kamera temporäre Lagefotos liefern oder ist der Dauereinsatz geplant? Wünscht man sich einen Abstandshalter, sodass die Drohne nicht gegen Gebäudemauern kracht? Welche maximale Nutzlast für Beleuchtung, Kameras oder Lautsprecher ist anzustreben? Um es kurz zu machen: 1.500 Euro ist der Mindestpreis für kleinere, sporadische Einsätze, 9.000 bis 15.000 Euro wären besser bei regelmäßigen Einsätzen. Das sind wirklich keine Beträge, die selbst einem kleinen Mittelständler Kopfzerbrechen bereiten sollten. Nach oben gibt es natürlich keine Preisgrenze. Man muss einfach die Einsatzzwecke definieren und dabei auch überlegen, ob man im Einsatzfall mit Polizei und Feuerwehr auf Augenhöhe agieren will. Leider kalkulieren die wenigsten Wachschutzfirmen mit dem „Return on Invest“, da stehen sie sich einfach selbst im Weg. Es geht ja bei einem Paket für den Drohneneinsatz nun mal nicht darum, Stunden abzurechnen, sondern um den zu erzielenden Umsatz für einen Auftrag.

Welche Qualifikationen muss ein Drohnenpilot haben?

Seit 2017 benötigt jeder Pilot, der eine Drohne von mehr als zwei Kilogramm Abfluggewicht steuert, einen „Kenntnisnachweis“, also nichts anderes als einen Drohnenführerschein. Er wird von Prüfstellen ausgestellt, die vom Luftfahrt-Bundesamt anerkannt sind. Der Drohnenführerschein ist fünf Jahre gültig, danach ist die Prüfung erneut abzulegen. Bei der Schulung geht es um die technischen und rechtlichen Grundlagen, auch um Wartung oder beispielsweise Flugszenarien.

Wer eignet sich besonders als Drohnenpilot?

Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Klar, man muss über eine stabile Persönlichkeit verfügen, schnell auf bestimmte Situationen reagieren, auch improvisieren können und in der Lage sein, in Sekunden eine richtige Entscheidung zu treffen. Ein Vorteil ist, dass sich dafür auch Mitarbeiter eigenen, die beispielsweise bei anderen Tätigkeiten körperlich an ihre Grenzen stoßen. Ein Rollstuhlfahrer etwa kann ein toller Drohnenpilot sein.