Veröffentlicht am: 06.12.2018

Veröffentlicht am: 06.12.2018

Interview: Marcus Heide
Foto: Friederike Pfaffinger-Stoiber und Franco Ziegler

Friderike Pfaffinger-Stoiber und Franco Ziegler
Die gebürtige Münchnerin Friederike Pfaffinger-Stoiber arbeitet seit 2006 für Securitas. Ihr erster Einsatz im Veranstaltungsschutz war bei der Fußball-Weltmeisterschaft. Sie hat die IHK-Sachkundeprüfung nach § 34a abgelegt und ist auf Event Security spezialisiert. Auf dem Oktoberfest hat sie zum ersten Mal Dienst verrichtet.

Franco Ziegler aus Rostock war bereits 2014 auf der Wiesn als Abschnittsleiter im Einsatz. Der ehemalige Bundeswehrkoch ist seit zwei Jahren bei Securitas mit der Qualifizierung als „Fachkraft für Schutz und Sicherheit“

„Die beste Garantie für gute Laune sind kompetente Ansprechpartner“

Marcus Heide im Interview mit
Friederike Pfaffinger-Stoiber und Franco Ziegler · Die gebürtige Münchenerin Friederike Pfaffinger-Stoiber arbeitet seit 2006 für Securitas. Auf dem Oktoberfest hat sie zum ersten Mal Dienst verrichtet. Franco Ziegler ist seit zwei Jahren bei Securitas und war bereits 2014 auf der Wiesn als Abschnittsleiter im Einsatz.

Friederike Pfaffinger-Stoiber und Franco Ziegler über den Dienst als Sicherheitsmitarbeiter beim Oktoberfest in München.

Marktplatz Sicherheit: Frau Pfaffinger-Stoiber, Herr Ziegler, Einsatz auf der „Wiesn“ – lässt sich das im Berufsleben eines Sicherheits-Dienstleisters im operativen Dienst eigentlich noch toppen?

Friederike Pfaffinger-Stoiber: Naja, einerseits ist das natürlich sowohl eine tolle Sache als auch eine große Herausforderung, beim größten Volksfest der Welt im Einsatz zu sein. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass man es mit der innerlichen Begeisterung nicht übertreibt, sondern sich darauf konzentriert, einen guten Job zu machen. Denn ob internationales Event oder heimatliches Dorffest – im Interesse der Sicherheit und des Auftraggebers muss Professionalität an oberster Stelle stehen.

Franco Ziegler: Das sehe ich genauso. Es ist natürlich trotzdem etwas ganz Besonderes – allein, wenn man sich die Dimensionen ansieht: Eine Riesengaudi auf einer Fläche von 42 Hektar mit 6,3 Millionen Gästen, die 7,5 Millionen Maß Bier getrunken haben in 21 kleinen und 16 großen Zelten. Und das bezieht sich nur auf die 16 Veranstaltungstage. Als Sicherheits-Dienstleister erleben wir ja auch den Auf- und Abbau hautnah, was ebenfalls eine große Herausforderung und durchaus spannend sein kann. Letztlich habe ich vom ersten Tag des Aufbaus bis zum letzten Tag des Abbaus fast vier Monate auf dem Oktoberfest verbracht.

Der Aufbau des Schützenfestzelts des größten Marktbeschickers Pletschacher startete am 9. Juli. Die Presse spricht von 1,5 Millionen Euro, die der Aufbau eines großen Zelts kostet. Zu den Aufbauarbeiten gibt es ein nettes Video auf YouTube (https://www.youtube.com/watch?v=gYz2B0Cj9Hs), das aber bei weitem nicht den Eindruck vermittelt, was da wirklich los war und wozu man eigentlich Sicherheitsleute braucht. Vielleicht erzählen Sie uns ein bisschen davon.

Ziegler: Die Marktbeschicker hatten natürlich alle ihre eigenen Sicherheits-Dienstleister, mit denen wir im Übrigen sehr kollegial zusammengearbeitet haben. Der Auftraggeber von Securitas war das städtische Referat für Arbeit und Wirtschaft, das die Durchführung des Oktoberfests verantwortet. Entsprechend fielen alle übergeordneten Sicherheits-Dienstleistungen, für die weder Polizei und Feuerwehr noch die Rettungsdienste zuständig waren, in unser Aufgabengebiet.

Was waren die Aufgaben der Securitas-Leute in der Aufbauphase?

Ziegler: Die gesamten 42 Hektar der Theresienwiese, die sonst mit Fahrrädern befahrbar ist, waren eingezäunt und durch Einfahrtstore nur für den Wiesn-bedingten Baustellenverkehr geöffnet. Wir hatten darauf zu achten, dass nur Fahrzeuge mit einem Passierschein durch die Tore konnten und auch sonst keine Unbefugten Zutritt hatten.

Klingt unspektakulär.

Ziegler: Aber nur wenn man nicht weiß, wie ungemütlich Fahrradfahrer werden können, die sich in ihrer umweltfreundlichen Mobilität eingeschränkt sehen. Natürlich hatten die meisten Verständnis für die Sperrung, aber manche wiederum überhaupt nicht. Das ging dann bei einigen so weit, dass sie ihren Unmut am Zaun entluden, indem sie uns bespuckten. Das ist natürlich für uns nicht schön, aber da muss man sich ein dickes Fell zulegen. Gehört genauso zum Job wie die zunehmende Zahl an Gaffern, die zusammenkommen, wenn etwas Ungewöhnliches passiert, etwa als ein Lkw aus Unachtsamkeit den Zaun an einer Stelle aufgerissen hat. Da klicken dann gleich die Handykameras, und die Gaffer stehen im Weg.

Wie war in dieser Zeit das Securitas-Personal eingesetzt?

Ziegler: Im Einsatz waren sechs Kollegen – je zwei pro Einfahrtstor und zwei Streifen, in den ersten zwei Wochen des Aufbaus von 5 bis 21 Uhr und danach rund um die Uhr. Zwei Wochen vor Wiesn-Beginn waren wir dann 30 Leute auf 21 Positionen. Je näher der Festbeginn rückt, desto mehr Sicherheitspersonal ist im Einsatz.

Besondere Vorfälle?

Ziegler: Eigentlich erstaunlich wenige. Am Fahrgeschäft „Höllenblitz“ etwa wollten sich Kabeldiebe zu schaffen machen, aber die haben wir vermutlich gestört. Und der demente ehemalige Betreiber eines anderen Fahrgeschäfts wollte unbedingt auf „sein“ Gebiet. Die Situation haben wir dann zusammen mit der Familie und Sanitätern entspannen können. Alles klassische Zwischenfälle, mit denen wir gut umgehen können. Was mich viel mehr beeindruckt hat: In den vier Monaten habe ich mit dem Segway über 900 Kilometer zurückgelegt.

Frau Pfaffinger-Stoiber, Ihr Einsatz begann dann am Tag der Eröffnung, also am 22. September. Wann waren Sie mit der ersten „Bierleiche“ konfrontiert?

Pfaffinger-Stoiber: Solche Ausdrücke vermeiden wir im Dienst, denn es geht ja auch um Respekt vor den Besuchern. Aber mit fortschreitendem Veranstaltungsverlauf wird natürlich auch die Sprache etwas robuster. Um Ihre Frage zu beantworten: Einlass war um 9 Uhr, der Ausschank begann um 10 Uhr. Tatsächlich lag der erste alkoholisierte Besucher im so genannten Behördenhof um 9.54 Uhr flach. Sie dürfen nicht vergessen, dass die Leute am Eröffnungstag schon um 5 Uhr in der Früh am Eingang Schlange stehen – und das mit reichlich Getränkevorrat. Allgemein nennt man das „Vorglühen“.

Sie waren an Spitzentagen mit über 600 Securitas-Kollegen zugleich im Einsatz. Was waren Ihre Aufgaben?

Pfaffinger-Stoiber: Vor allem die klassischen Tätigkeitsfelder: Einlass- und Taschenkontrollen, Besuchersteuerung, Nachtbewachung, Streifendienst auf dem Außengelände, Zugangskontrolle am Behördenhof. Wir haben auch die Poller bedient, die verhindern sollten, dass Terroristen mit Fahrzeugen aufs Gelände gelangten. Naja, und ansonsten waren wir Ansprechpartner für alle Besucher in allen Angelegenheiten. Das sehe ich mit als wichtigste Aufgabe. Denn wenn es in dem Menschentreiben kompetente Ansprechpartner für die unterschiedlichsten Fragen gibt, ist das die beste Garantie für gute Laune.

Unvermeidlich ist die Frage nach dem „Kotzhügel“, ein Hang an der Westseite des Festgeländes. „Dass hier die ein oder andere halbverdaute Maß, Breze oder Hendlhälfte zurück an die frische Luft kommt, ist Teil des Spektakels“, schrieb 2014 die Süddeutsche Zeitung. Ist es dort wirklich so schlimm, wie man sich das vorstellt?

Pfaffinger-Stoiber: Dass sich Menschen übergeben müssen, wenn sie es mit dem Bierkonsum und auch anderweitig übertreiben, ist nun einmal so. Natürlich ist das nicht immer angenehm. Aber du liebe Zeit, es gibt ja Einweghandschuhe, mit denen man den Leuten im Zuge der Ersten Hilfe den Mund „freischaufeln“ kann. Wenn ich bedenke, wie vielen Menschen man dadurch womöglich das Leben rettet, weil sie nicht an ihrem Erbrochenen ersticken, kann man darin – mit ein bisschen positiver Einstellung – sogar eine vornehme Aufgabe sehen. Wer sich darüber mokiert, sollte nicht beim Oktoberfest arbeiten.

Bei einer Schlägerei vor dem Augustinerzelt hat es einen Toten gegeben. Sonst noch besondere Vorkommnisse?

Pfaffinger-Stoiber: Leider lässt sich nie ausschließen, dass solche Tragödien passieren. Ich habe davon erst später gehört. Es gab einen Bombenalarm, der sich zum Glück als Fehlalarm entpuppte. Wir haben einen Verletzten, der auf den Kopf gefallen war, zum Sanitäter gebracht und eine Vergewaltigung verhindert. Eine Amerikanerin hat sich tausendmal bei uns bedankt, weil wir ihr verloren gegangenes Handy samt Reisepass wiedergefunden haben. Vieles passiert auf der Wiesn eben im Zusammenhang mit Alkohol – oder mit scheinbarer Begrenzung von Freiheiten. Sie glauben gar nicht, wie intensiv wir mit Eltern und Großeltern über das Kinderwagenverbot diskutieren mussten. Das galt nämlich an Sonn- und Feiertagen, weil die Zahl der Besucher dann so hochschnellt, dass im Notfall die rechtzeitige Evakuierung nicht mehr gewährleistet werden könnte, wenn überall Kinderwagen im Weg stehen. Darüber machen sich die Menschen natürlich keine Gedanken – wir aber schon.
Ziegler: Weil Sie gezielt nach diesen Ereignissen fragen, hört sich das jetzt so an, als ob diese das Oktoberfest dominierten. Die meisten Menschen waren aber nett, gut gelaunt und trugen ihren Teil zur Gaudi bei. Die wenigsten haben sich danebenbenommen. Und tatsächlich hat der weitaus größte Teil der Besucher seinen Spaß gehabt – auch ohne Nachwehen. Das ist sicherlich auch dem hervorragenden Sicherheitskonzept zu verdanken und der kompetenten, vorbildlichen und kooperativen Zusammenarbeit aller beteiligten Sicherheitskräfte.

Würden Sie sich beide nächstes Jahr wieder zum Einsatz auf der Wiesn melden?

Pfaffinger-Stoiber/Ziegler (wie aus der Pistole geschossen): Auf jeden Fall!