Veröffentlicht am: 21.09.2022
BDSW-Hauptgeschäftsführer Florian Graf über die Vielfalt des Sicherheitsgewerbes, die Herausforderungen durch den Personalmangel und seine Pläne für die nächsten drei Jahre.
„Es muss uns gelingen, unsere Errungenschaften über die schlechten Schlagzeilen zu stellen“
Als Nachfolger des langjährig amtierenden Dr. Harald Olschok ist Florian Graf seit dem 1. Januar 2022 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft e. V. (BDSW). Marktplatz Sicherheit hat ihn zu Status, Zielen und Perspektiven befragt.
Herr Graf, wie haben Sie die Sicherheitsbranche bei Ihrem Amtsantritt vorgefunden?
Die private Sicherheitsbranche ist mittlerweile in fast allen Lebensbereichen vertreten und damit fest im Gesamtsystem der Inneren Sicherheit verankert – diesen Eindruck kann vermutlich jeder spätestens seit der Corona-Pandemie bestätigen. Es ist kein Geheimnis, dass das mit einer grundsätzlich positiven wirtschaftlichen Entwicklung der Branche und ihrer Unternehmen einhergeht, aber natürlich auch mit einigen Herausforderungen verbunden ist: Beim Image der Branche gibt es Verbesserungspotenzial, es fehlt an Personal und einer zeit- und anforderungsgemäßen gesetzlichen Basis. Bereits vor meinem Amtsantritt war und inzwischen bin ich noch tiefer davon überzeugt, dass wir dies in den nächsten Jahren positiv entwickeln können – dazu müssen sich allerdings einige Dinge deutlich ändern.
Was haben Sie sich für die nächsten drei Jahre vorgenommen?
Vor allem müssen wir als Branche an den Rahmenbedingungen arbeiten. Ein intensiver fachlicher Austausch mit der Politik und insbesondere mit den zuständigen Personen für die Erstellung des neuen Gesetzesentwurfs werden meines Erachtens nach mittelfristig die wichtigsten Aspekte der Verbandsarbeit sein müssen. Für unsere Mitgliedsunternehmen und die gesamte Branche werden die neuen gesetzlichen Vorgaben eine neue Phase einläuten, die Auswirkungen auf viele Aspekte der Dienstleistung haben wird. Diesen Prozess zu unterstützen und voranzutreiben ist eine große und wichtige Aufgabe für den Verband und natürlich für mich.
Das Sicherheitsgewerbe als Ganzes – also sowohl Unternehmen als auch die beiden Branchenverbände – haben das im Medienzeitalter so wichtige Thema „Marketing“ nicht gerade erfunden und beherrschen es bis heute nicht. Da kann es nicht verwundern, dass das Image der Branche in der Gesellschaft schlecht ist. Teilen Sie diese Meinung und welche Schritte wollen Sie unternehmen, um etwas daran zu ändern?
Meines Erachtens ist es entscheidend, dass wir – unsere Unternehmen und der Verband – gemeinsam daran arbeiten, die positiven Aspekte und „Errungenschaften“ der Branche über die leider immer wieder auftauchenden schlechten Schlagzeilen zu stellen. Wir bieten als Branche so vielen Menschen mit den verschiedensten Hintergründen und Qualifikationen eine Chance zum Ein- und auch Aufstieg, verbessern das Ausbildungssystem für junge Menschen – zum Beispiel durch Projekte wie die Exzellenzinitiative in Hamburg –, haben viele hochmotivierte Beschäftigte sowie Auszubildende und die Branche bietet eine solche Vielfalt an Tätigkeiten, dass im Grunde für jeden und jede etwas Interessantes zu finden ist. Wenn wir es gemeinsam schaffen, diesen Aspekten mehr Gewicht zu verleihen als den Berichten über Prügeleien, Übergriffe und was sonst noch so in der Presse aufgegriffen wird, aber eben nicht die Arbeit der fast 260.000 Beschäftigten widerspiegelt, sind wir ein entscheidendes Stück weiter.
Eine der größten Herausforderungen der Branche ist, wie in anderen Branchen auch, der Fachkräftemangel. Dabei spielen Bezahlung und wiederum das Image eine bedeutende Rolle. Wie soll dem Problem begegnet werden?
Das Thema Personal- und Fachkräftemangel wird ein so massives Thema für die gesamte Wirtschaft werden, dass wir – als vergleichsweise kleine Branche – diesbezüglich in den nächsten Jahren nicht unerhebliche Anstrengungen unternehmen müssen. Der BDSW bemüht sich bereits seit vielen Jahren um stetig steigende Qualität in der Branche – begonnen bei den Ausbildungsbetrieben, den Qualifizierungen und vielem mehr. Ich bin der Meinung, dass sich dies durch die hoffentlich zeitnahen Veränderungen auf Grundlage des Sicherheitsgewerbegesetzes noch einmal erheblich steigern lassen wird. Mit steigender Qualität in der gesamten Branche lassen sich dann sowohl Vergütungs- als auch Imageaspekte noch mal aus einem anderen Blickwinkel angehen.
In Sachen Bewacherregister kann sich das bisher zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auf die Fahnen schreiben, eines der anschaulichsten Beispiele für Staatsversagen geliefert zu haben. Nun soll das Bewacherregister in die Zuständigkeit des Statistischen Bundesamtes fallen. Welche Erwartungen haben Sie?
Unsere Erwartung ist klar: ein endlich vollumfänglich funktionierendes System. Das Bewacherregister an sich haben wir von Beginn an unterstützt, denn es bringt für alle Beteiligten deutlich mehr Transparenz. Die lange Phase der „Einführung“ ist bedauerlich und mit sehr hohem Aufwand und dadurch auch Kosten für die Unternehmen verbunden. Deshalb erhoffen wir uns mit dem Wechsel natürlich auch eine deutliche Verbesserung und damit Erleichterung für die Unternehmen.
Zu den sehnlichsten Wünschen des Sicherheitsgewerbes gehört das Sicherheitsdienstleistungsgesetz, das im Koalitionsvertrag der Ampel steht. Sind Sie optimistisch, dass ausgerechnet unter dieser Regierung etwas Brauchbares entstehen kann?
Ja, das bin ich. Wir stellen in unseren Gesprächen mit Entscheidern der Politik das Bewusstsein fest, wie wichtig die private Sicherheit für Deutschland mittlerweile ist. Daraus folgt, dass die Politik künftig einen großen Anteil zu deren Funktionsfähigkeit und Effektivität beitragen muss. Dabei bringen wir die fachliche Expertise aus den Unternehmen unseres Verbandes zielgerichtet ein, um die bestmögliche Grundlage für die Branche schaffen zu können.
Die Branche bemängelt seit Jahrzehnten die Praxis der öffentlichen Hand, Vergaben nur anhand des Preises vorzunehmen. Warum sollte sich daran etwas ändern, solange die Branche selbst – auch viele Mitglieder des BDSW – ihre Dienstleistungen ausschließlich über den Preis verkauft, und das nicht nur mit Blick auf die öffentliche Hand, sondern auch auf Unternehmen und andere Organisationen?
Dass der Preis einen Faktor bei der Auswahl eines Dienstleisters darstellt, ist und bleibt unumstritten. Es darf aber nicht DER Faktor sein, und das ist leider weiterhin bei vielen öffentlichen Ausschreibungen der Fall. Die öffentliche Hand sollte hier – sozusagen als Vorreiter – auf ein Verfahren umsteigen, bei dem auf Qualität anstatt Billigstvergaben gesetzt wird. Wir haben schon diverse Vorschläge diesbezüglich unterbreitet und werde dabei auch nicht lockerlassen.
Wie beurteilen Sie das (Konkurrenz-)Verhältnis von BDSW und BVMS?
Wir vertreten als Wirtschafts- und Arbeitgeberverband die Interessen unserer Mitgliedsunternehmen – auch die unserer mittelständigen Mitglieder. Ich sehe die beiden Verbände nicht in einem Konkurrenzverhältnis.