Veröffentlicht am: 20.08.2018
Interview: Marcus Heide
Foto: Dr. Christian Endreß
Dr. Christian Endreß
Dr. Christan Endreß ist Geschäftsführer der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft Nordrhein-Westfalen e. V. Er begann seine berufliche Laufbahn bei einer Bundesbehörde und war anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sicherheitsforschung an der Universität Witten/Herdecke. Später arbeitete er für die Privatwirtschaft.
„Journalisten für das Thema Sicherheit begeistern“
Marcus Heide im Interview mit
Dr. Christian Endreß · Geschäftsführer der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft Nordrhein-Westfalen e.V.
ASW-NRW-Geschäftsführer Dr. Christian Endreß über die Bedeutung des Sicherheitsgewerbes, die Herausforderungen der Inneren Sicherheit und ein zartes Marketingpflänzchen
Marktplatz Sicherheit: Herr Dr. Endreß, die Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft Nordrhein-Westfalen (ASW NRW) ist eine Interessenvertretung der Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, die Sicherheitsbelange der gewerblichen Wirtschaft gegenüber Politik und Verwaltung in Deutschland zu vertreten sowie sicherheitsrelevante Informationen zwischen Staat und Wirtschaft zu fördern. Damit vertreten Sie vor allem die Interessen derjenigen, die in Unternehmen und anderen Organisationen für das Thema Sicherheit zuständig sind. Warum interessieren Sie sich dann überhaupt für die Belange des Sicherheitsgewerbes, das ja eigentlich „nur“ Zulieferer von Dienstleistungen für die genannten Sicherheits-Verantwortlichen ist?
Dr. Christian Endreß: Zum einen verfügen viele Vertreter des Sicherheitsgewerbes über eine Mitgliedschaft bei uns. Zum anderen – und das ist der ausschlaggebende Punkt – spielen Sicherheits-Dienstleister eine überaus wichtige Rolle. Sie sind eben nicht nur Zulieferer, sondern ein wichtiger Bestandteil der Inneren Sicherheit Deutschlands.
Diese Gebetsmühle pflegt auch der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) mit erstaunlicher Ausdauer und ebensolcher Wirkungslosigkeit.
Ich bin mir durchaus bewusst, welches Image das Sicherheitsgewerbe genießt und wie die öffentliche Wahrnehmung ist. Das ändert aber nichts an den Tatsachen. Ein Großteil des öffentlichen Lebens in Deutschland würde ganz anders aussehen oder erst gar nicht möglich sein ohne private Wachleute. Nehmen Sie doch nur die vielen Veranstaltungen – Konzerte, Sommerfeste und andere Open-Air-Events –, wie sie in den zurückliegenden Sommerwochen zu Tausenden stattfanden und im Herbst weitergehen. Hier konnten die Menschen ja nur deshalb ihren unbeschwerten Spaß haben, weil Sicherheitsdienste im Einsatz waren. Ähnlich sieht es im öffentlichen Personenverkehr aus, in den Stadien, in Innenstädten, Krankenhäusern und Schwimmbädern.
Es gibt da noch eine Organisation namens Polizei…
Sie wollen doch nicht ernsthaft fordern, dass all diese Sicherheitsaufgaben ausschließlich von Polizeibeamten, also steuerfinanziert, übernommen werden? Das ist weder nötig noch finanzierbar noch machbar angesichts der föderalen Sicherheitsarchitektur. Tatsächlich wird die Bedeutung der privaten Sicherheitswirtschaft angesichts der sich wandelnden Bedrohungslage noch zunehmen. Ob Einbruch, Diebstahl oder Vandalismus – die Polizei macht einen tollen Job, aber sie kann nicht überall sein. Das als Feststellung alleine hilft natürlich nicht weiter. Weil wir wissen, dass das Thema Sicherheit bei der Bevölkerung ganz oben auf der Agenda steht und obendrein ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor ist, hat sich hier in Nordrhein-Westfalen im Dezember 2015 ein unabhängiger und formloser Kreis von Experten konstituiert mit der Zielsetzung, die aktuellen Herausforderungen der Inneren Sicherheit zu diskutieren, einer sachlichen Analyse zu unterziehen und die zentralen Problemstellungen an die politischen Entscheidungsträger heranzutragen. Der „Gesprächskreis Innere Sicherheit NRW“ (GIS NRW) setzt sich aus namhaften Vertretern von Polizeibehörden, Kommunen, Hilfsorganisationen, Wirtschaftsunternehmen, Medien sowie wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen. Und selbstverständlich sind auch Vertreter des Sicherheitsgewerbes dabei.
Welche Erkenntnisse hat der GIS mit Blick auf die Privaten bislang erlangt?
Das lässt sich alles im „Grünbuch Sicherheit“ nachlesen, das man auch im Internet herunterladen kann. Kurz zusammengefasst: Das grundlegende Problem der Sicherheitswirtschaft besteht darin, dass ein zentrales Sicherheitsgesetz, wie es in anderen europäischen Ländern längst Standard ist, als Grundlage für das Bewachungsgewerbe fehlt. Die gesetzliche Fragmentierung erschwert dabei sowohl die Kontrolle und einheitliche Qualifikation der privaten Sicherheitsarbeit als auch eine unter Umständen notwendige Anpassung gesetzlicher Grundlagen an neue Rahmenbedingungen. Das bringt Probleme mit Blick auf eine einheitliche Zuverlässigkeitsüberprüfung der Sicherheitskräfte, die Kontrolldichte durch die Ordnungsbehörden, die Qualifikations- und Weiterbildungsanforderungen an Unternehmen und Mitarbeiter, die Regelungen von qualitätsorientierten Vergaben durch öffentliche Auftraggeber sowie den Einsatz von Subunternehmen. Das Bewachungsrecht muss reformiert und die Qualitätsstandards erhöht werden. Der Ruf der Branche ist im Übrigens nicht ungehört geblieben.
Inwiefern?
Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode wurde die Neuordnung des privaten Sicherheitsgewerbes festgelegt. Hier heißt es: „Private Sicherheitsbetriebe leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit. Durch die Neuordnung der Regelungen für das private Sicherheitsgewerbe in einem eigenständigen Gesetz werden wir die Sicherheitsstandards in diesem Gewerbezweig verbessern und so für noch mehr Sicherheit und Verlässlichkeit sorgen.“ Allerdings befindet sich bislang noch kein Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren. Wir hoffen natürlich weiterhin, dass die Zuständigkeit für das Bewachungsgewerbe vom Bundeswirtschafts- zum Bundesinnenministerium wechselt – eine uralte Forderung der Branche, allen voran des BDSW, mit dem wir gerne und eng zusammenarbeiten. Wir als ASW bringen uns in die Diskussion natürlich ein.
Irgendein Anzeichen dafür, dass in der Branche die Erkenntnis reift, dass auch professionelles Marketing und Öffentlichkeitsarbeit die Erfolgschancen erhöhen?
Eine berechtige Frage. Auch darüber haben wir uns in NRW Gedanken gemacht. Ein zentraler Punkt der erfolgreichen Öffentlichkeitsarbeit liegt nach unserer Auffassung darin, Journalisten für das Thema Sicherheit zu begeistern. Wir haben dabei unter anderem einen kompetenten Partner mit der Tageszeitung „Rheinische Post“ gefunden, wo wir einmal im Jahr in das so genannte „Sicherheitsforum“ eingebunden sind. Zugegeben, ein erstes zartes Marketingpflänzchen, das zum Bodendecker werden sollte. Aber es liegt nun einmal an jedem Unternehmen selbst, sich zu vermarkten und die eigene Bedeutsamkeit herauszukehren. Für die Öffentlichkeit ist es durchaus schwierig, das Engagement und die Leistungsfähigkeit des Sicherheitsgewerbes zu erkennen. Ihre Erfolge verschweigt die Branche zu nachdrücklich. In die Schlagzeilen geraten naturgemäß vor allem die schwarzen Schafe. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die Potenziale der Branche gemeinsam stärker in die Öffentlichkeit bringen können.
Qualifikation der Mitarbeiter – ein zentrales Stichwort für höhere Qualität im Sicherheitsgewerbe. Auch der ASW NRW bietet eine Reihe von Fortbildungsseminaren an. Wohin geht der Trend?
Wir sind selbstbewusst genug, um zu behaupten, ein attraktiver Seminaranbieter für das Sicherheitsgewerbe und die Sicherheitsabteilungen in Unternehmen zu sein. Das „Brot- und Buttergeschäft“ sind die klassischen Themen wie Empfangs- und Pfortendienst, Vorbereitung auf die IHK-Sachkundeprüfung, Geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft, Werkschutz, Waffensachkunde und betrieblicher Ermittlungsdienst. Wir bieten auch immer wieder neue Themen an, die den geänderten Herausforderungen Rechnung tragen, etwa IT-Sicherheit für Dienstleister, Extremismus im Unternehmen oder Krisenmanagement. Der Zuspruch ist mal besser, mal schlechter. Das Seminargeschäft ist hart. Innovation bleibt in der Sicherheitsbranche stets ein Risiko.