Veröffentlicht am: 10.06.2021
Interview: Marcus Heide
Foto: Dr. Alexander Bode
Dr. Alexander Bode
Dr. Alexander Bode ist Geschäftsführer der CONABO GmbH, die sich auf die Innovationsberatung für Prozesse des digitalen Wandels spezialisiert hat mit einem eigenen ISO-zertifizierten Vorgehen.
„Mensch und Technik: Besser zusammen als ‚entweder-oder‘“
Marcus Heide im Interview mit
Dr. Alexander Bode · Geschäftsführer der CONABO GmbH
Dr. Alexander Bode über die Chancen der „digitalen Transformation“ für das Sicherheitsgewerbe.
Marktplatz Sicherheit: Herr Dr. Bode, Digitalisierung im Wach- und Sicherheitsgewerbe – ein Widerspruch in sich?
Dr. Alexander Bode: Überhaupt nicht. Natürlich handelt es sich um ein Geschäftsfeld mit zum größten Teil personeller Dienstleistung. Das heißt aber nicht, dass es hier in den nächsten Jahrzehnten weiterhin rein analog zugehen wird.
Wenn im Sicherheitsgewerbe von Digitalisierung die Rede ist, verstehen die meisten darunter in erster Linie: Briefe mit Word schreiben und Rechnungen mit Excel kalkulieren. Die ganz Fortschrittlichen haben sich eine Software für die Personaleinsatzplanung angeschafft.
Das ist nicht nur im Sicherheitsgewerbe so und hat auch damit zu tun, dass „Digitalisierung“ nicht das ist, wovon wir im Folgenden reden werden. Der eigentliche Fortschritt und der Nutzen liegen auch für Sicherheits-Dienstleister in der „digitalen Transformation“.
Worin besteht der Unterschied?
Digitalisierung bedeutet, dass Vorgänge, die früher analog abliefen – Rechnung mit der Schreibmaschine schreiben, mit dem Rechenschieber kalkulieren, die Personaleinsatzplanung auf Zetteln skizzieren – heute per Software erledigt werden: Word, Excel, SEC|PLAN|NET. Die Digitalisierung der Prozesse ist weitgehend geschehen. Jetzt geht es darum, neue digitale Technologien so einzusetzen, dass sich ein zusätzlicher Nutzen für die Unternehmen und die Kunden ergibt. Den Unterschied erläutere ich gerne am Beispiel des Systems „Elster“ vom Finanzamt zur Abwicklung der Steuererklärung über das Internet. Hier wurde aus einem komplexen analogen Prozess ein komplexer digitaler Prozess gemacht. Gewonnen ist dadurch praktisch nichts – der Anwender muss sich weiterhin durch alle Formulare und Anlagen klicken. Eine digitale Transformation wäre beispielsweise gewesen, Abläufe dialogbasiert anzubieten: Hast Du Einkünfte aus Kapitalanlagen? Nein? Dann überspringt die Software automatisch die Schritte 34 bis 47!
Übertragen aufs Sicherheitsgewerbe…?
Beispiel digitale Personaleinsatzplanung: Hiermit lassen sich die Zeiterfassung elektronisch abwickeln und Einsatzpläne aufstellen, Mitarbeiterakten anlegen, Bewerber verwalten und eLearning praktizieren. Wichtig ist aber, dass viele andere Daten in der Einsatzplanung berücksichtigt werden, zum Beispiel das Wetter oder eine aufkommende Krankheitswelle. Dialogbasierte Abläufe könnten unter Einbeziehung von Künstlicher Intelligenz so aussehen: Für das Fußballspiel in zwei Wochen brauchst Du 530 Ordnungskräfte. Stehen Dir genügend zur Verfügung, wenn an diesem Tag aufgrund der prognostizierten Kältewelle Eisregen einsetzt? Auch, wenn 20 Prozent Deiner Mitarbeiter nicht zum Dienst erscheinen wegen des Magen-Darm-Virus, das aktuell in der Region kursiert? Wenn ja, weiter mit Schritt 7, wenn nein, weiter mit Schritt 4. Das ist ein Mehrwert für den Sicherheits-Dienstleister, mit dem er seine Kosten in relevantem Maß senken könnte, da er rechtzeitig entsprechende Vorbereitungen treffen kann. Vom hohen Maß an Zufriedenheit seines Kunden ganz zu schweigen.
Viele befürchten, dass die Digitalisierung auch im Sicherheitsgewerbe Arbeitsplätze vernichten wird.
Das gilt weniger für die digitale Transformation. Sie soll Menschen nicht ersetzen, sondern produktiver machen. Ich lege immer Wert auf zwei Dinge: Erstens ist der Computer nicht kreativ, und zweitens verfügt er nicht über soziale Kompetenz. Beides aber braucht man für den Fortschritt. Der Computer entwickelt nicht von sich aus etwas Neues, kann uns aber bei der Entwicklung mit dem Einsatz neuer Technologie sehr gut unterstützen. Deswegen müssen wir in Zukunft Mensch und Technologie zusammen denken und nicht „entweder-oder“.
Wahrscheinlich schon aus dem Grund, weil es die Kriminellen und Störer, vor denen Sicherheits-Dienstleister schützen sollen, ja längst getan haben.
Ein wichtiger Hinweis. Nehmen wir nur die Sicherheitskraft, die aus einer Leitstelle oder vom Empfangstisch aus per Monitor die Lage in den einzelnen Stockwerken eines Bürohochhauses verfolgt. Für ganz wenig Geld können Sie sich in der Ukraine oder in China die Dienstleistung einkaufen, die Überwachung zu unterbrechen oder falsche Bilder einzuspielen. Oder sich in die Mobiltelefon-Verbindung einzuhacken, mit der die Revierstreife regelmäßig eine SMS mit der Statusmeldung abschickt, dass alles in Ordnung ist. Aufgabe einer technischen – digitalen – Lösung ist es dann aber, Abweichungen zu erkennen, etwa beim Log Code oder einer plötzlich geänderten IP-Adresse, was auf manipulierte Datenströme hinweist.
Hört sich ein bisschen nach „Mission Impossible“ an…
Das liegt vielleicht auch daran, dass Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern noch viel zu wenig digitalisiert ist. Aber so wird es kommen. Und dann hat der Sicherheits-Dienstleister die Nase vorn, der darauf vorbereitet ist.
Das ist attraktiv mit Blick auf Inhaber und Geschäftsführer. Was springt dabei für die Mitarbeiter ‘raus? Nicht, dass die Branche für Empathie gegenüber ihren Beschäftigten bekannt ist. Trotzdem muss man die ja irgendwie zum Mitmachen bewegen.
Die digitale Transformation scheitert in der Regel an zwei Punkten: Zum einen wird sie nicht richtig erklärt, zum anderen ist der Nutzen unklar. Nehmen wir an, dass wir für einen digitalisierten Prozess in der Firma täglich zehn Minuten weniger Zeit benötigen. Das weitere Vorgehen sieht in der Regel so aus: Der Mitarbeiter wird aufgefordert, die zehn Minuten für andere Prozesse zu nutzen. Den Nutzen hat also zu hundert Prozent das Unternehmen, der Mitarbeiter fühlt sich nur mehr gestresst. Wie wär’s denn stattdessen mit dieser Regelung: Fünf Minuten fürs Unternehmen, das den Prozess ja auch finanziert hat, und fünf Minuten für den Mitarbeiter. Ein klassisches Win-Win. Was glauben Sie, wie schnell die Belegschaft die digitale Transformation vorantreibt! Und wie schnell sich das herumspricht. So haben Sie als Sicherheits-Dienstleister auch im Wettbewerb um Fachkräfte ganz schnell die Nase vorn.
Welche Prozessdigitalisierung empfehlen Sie dem Sicherheitsgewerbe konkret?
Falsche Frage! Genau deshalb haben viele Firmenchefs schon so schlechte Erfahrungen gemacht. Jemand hat ihnen diese oder jene App empfohlen – und am Ende bringt sie nichts. Mich wundert das nicht, denn die Reihenfolge ist verkehrt: Zunächst muss man seine Ziele festlegen. Und erst dann sucht man nach der Software-Lösung, die einen dort hinbringt. Das kann sich auch innerhalb einer Branche von Firma zu Firma wesentlich unterscheiden. Die Voraussetzung freilich ist, dass man sich dazu tatsächlich mal hinsetzen und sich ernsthafte strategische Gedanken machen muss. Soweit ich Ihren Fragen entnehme, ist Strategie keine weit verbreitete Disziplin im Sicherheitsgewerbe.
Da habe ich mich wohl zu deutlich ausgedrückt. Aber abgesehen davon, ist es auch für aufgeschlossene, innovativ denkende Unternehmer nicht immer ganz einfach, sich im Digitalkosmos zurechtzufinden.
Dann erlauben Sie mir an dieser Stelle mal ein bisschen Eigenwerbung: Genau dafür gibt es Berater wie mich. Ich schaue mir die Prozesse in einem Unternehmen genau an und erarbeite mit meinen Kunden dann ein individuelles Transformationskonzept. An dessen Ende steht in der Regel nicht nur ein Ergebnis, das die Erträge erhöht und die Kosten senkt, sondern oftmals sogar ein zusätzliches Geschäftsmodell.
Beratung kostet Geld. Das Sicherheitsgewerbe klagt ja schon immer über zu geringe Margen…
Wer nicht versteht, dass es sich lohnt, 100 Euro zu investieren, um 110 Euro einzunehmen, dem ist auch an anderer Stelle nicht zu helfen.