Veröffentlicht am: 27.04.2021

Interview: Marcus Heide
Foto: Hany Benjamin Girges


Hany Benjamin Girges

Interviewpartner Hany Benjamin Girges ist Inhaber der nach ihm benannten Unternehmensberatung GIRGES Consulting. Er war über 15 Jahre bei namhaften, in Deutschland führenden Sicherheits-Unternehmen als leitende Führungskraft erfolgreich tätig. Seit acht Jahren berät sein Unternehmen Kunden aus unterschiedlichen Branchen zu Themen wie Risiko-, Notfall- und Krisenmanagement, Arbeitssicherheit und Datenschutz und betreut diese im Rahmen von Zertifizierungsverfahren. Speziell in Sachen Beratung und Betreuung von Sicherheits-Unternehmen, die sich nach DIN EN IS0 9001 sowie nach DIN 77200 zertifizieren lassen wollen, gilt GIRGES Consulting als einer der bedeutendsten Anbieter in Deutschland. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen derzeit 710 Kunden in der Beratung und im Rahmen einer Unternehmenszertifizierung 120 Firmen erfolgreich unterstützt.

„Qualität ist machbar – und ratsam!“

Marcus Heide im Interview mit
Hany Benjamin Girges · Inhaber der Unternehmensberatung GIRGES Consulting

Warum sich die Zertifizierung nach DIN EN 9001:2015 und DIN 77200-1:2017-11 auch für kleinere Sicherheits-Unternehmen lohnt: Hany Benjamin Girges räumt im Exklusivinterview mit Vorurteilen auf und nennt die Kosten

Marktplatz Sicherheit: Herr Girges, wer im Zusammenhang mit dem Sicherheitsgewerbe das Wort „Qualitätsdienstleistung“ im Munde führt, wird häufig ausgelacht. Wieso eigentlich?

Hany B. Girges: Der, der lacht, hat keine Ahnung von der Sicherheitsbranche. Er verengt die Perspektive, auf die – zugegebenermaßen – nicht gerade kleine Zahl unprofessionell arbeitender Firmen im Gewerbe. Er vergisst dabei aber, dass es auch viele renommierte Unternehmen gibt, die zum Teil eine Menge investieren, um besagte Qualitätsdienstleistung abliefern zu können.

Es gibt ja sogar einen objektiven Nachweis dafür: die Zertifizierung nach den Normen DIN EN ISO 9001 sowie die DIN 77200. Was hat es damit auf sich?

Bei der ISO 9001 handelt es sich sozusagen um die Mutter aller Normen für das Qualitätsmanagement weltweit, gültig für alle Unternehmen aller Branchen. Ein Zertifikat ist drei Jahre gültig, und das zertifizierte Sicherheitsunternehmen wird von der Zertifizierungsstelle einmal jährlich von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle extern auditiert. Die dreiteilige DIN 77200 ist branchenspezifisch auf das deutsche Sicherheitsgewerbe ausgerichtet. Der Teil 1 der DIN 77200 berücksichtigt insgesamt sieben Sicherheits-Dienstleistungen, für die sich ein Sicherheits-Unternehmen zertifizieren lassen kann. Ein Zertifikat ist ebenfalls drei Jahre gültig und wird ebenfalls einmal im Jahr extern auditiert. Wichtig: Seit November 2017 sind dafür nur noch Zertifizierungsstellen zugelassen, die von der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) akkreditiert wurden, sprich: Die DAkkS überprüft unter anderem, ob das Zertifizierungsverfahren von den akkreditierten Zertifizierungsstellen ordnungsgemäß durchgeführt wurde.

Der Zertifizierungsmarkt ist weltweit vielfach zur reinen Gelddruckmaschine verkommen…

Da haben Sie nicht ganz Unrecht. Aber mit Blick gerade auf die von Ihnen eingangs genannte Qualitätsdiskussion in Deutschland macht die Zertifizierung für das Sicherheitsgewerbe durchaus Sinn. Sie ermöglicht Transparenz gegenüber potenziellen Kunden, denn ein Sicherheits-Unternehmen weist damit nach, dass es nach festgelegten Qualitätsstandards arbeitet – vom Beschwerdemanagement über die Dokumentation bis hin zum Arbeitsschutz. Gerade Letzterer ist ein ganz wichtiger Punkt. Aber mal abgesehen davon – viele Kunden machen die Zertifizierung ja zur Grundvoraussetzung für die Auftragsvergabe…

…wollen dann aber die höheren Kosten nicht mittragen.

Das stimmt oft, aber nicht immer. Es gibt durchaus Kunden, vor allem in der Privatwirtschaft, die viel Wert auf eine hochwertige Sicherheits-Dienstleistung legen. Die öffentliche Hand dagegen ist vielfach das schwarze Schaf unter den Auftraggebern. Die will’s einfach nur billig, egal wie der Output ist. Besonders perfide: Ihre Ausschreibungen enthalten nicht selten die Formulierung „angelehnt an der Norm 77200“. Soll heißen: höchste Qualität zum niedrigsten Preis. Wir fordern die Norm – wie du’s finanzierst, ist uns schnurzpiepegal, jedenfalls nicht über uns.

Eigentlich sollten sich seriöse Sicherheitsdienstleister an solchen Ausschreibungen gar nicht mehr beteiligen.

Ja, im Prinzip sollten sich seriöse Sicherheitsunternehmen an solchen Ausschreibungen nicht beteiligen. Aber der hohe Wettbewerbsdruck macht es für viele unmöglich, sich davon zurückzuziehen. Und die Zertifizierung braucht man ja trotzdem, um sich von den „Wachgaragen“ abzuheben.

Das ist ja beinahe wie im Gesundheitswesen: Die Behandlung der Kassenpatienten finanziert man über die Behandlung der Privatpatienten. Im Sicherheitsgewerbe finanziert man die Zertifizierung für Aufträge der öffentlichen Hand über die Zertifizierung für Aufträge qualitätsorientierter Privatunternehmen.

Guter Vergleich. Allerdings hat die Zertifizierung weitere Vorteile. Wer strukturiert arbeitet, macht auch weniger Fehler. Das garantiert hohe Kundenzufriedenheit. Auch im Umgang mit Behörden hebt es die Verlässlichkeit. Wenn zum Beispiel die Ordnungsämter und der Zoll Unterlagen prüfen, ist es von großem Vorteil, wenn diese gut geführt sind.

Überzeugende Argumentation, die aber bislang einen Faktor nicht berücksichtigt: Wie viel Geld hat ein Sicherheits-Dienstleister denn nun für die Zertifizierung zu berappen? Und: Genügt es, sich für eine der beiden Normen fit zu machen?

Idealerweise qualifiziert man sich für beide Normen – 95 Prozent der von uns betreuten Sicherheitsfirmen in Deutschland praktizieren das so. Mein Rat: Mit der Unternehmenszertifizierung gemäß ISO 9001 anfangen und anschließend um die Zertifizierung nach der DIN 77200 ergänzen. Was die Kosten angeht, gibt es keine pauschale Antwort. Denn die ISO 9001 wird nach Anzahl der Mitarbeiter abgerechnet. Die Kosten einer Zertifizierung DIN 77200 (Teil 1) dagegen sind von der Anzahl der Mitarbeiter im Zertifizierungsbereich sowie von der Anzahl der ausgewählten, zertifizierungsfähigen Sicherheits-Dienstleistungen abhängig.

Aus der Nummer lasse ich Sie nicht raus! 100 Mitarbeiter, vier bis fünf Dienstleistungen. Macht Pi mal Daumen…?

Ich kann nur für mein Unternehmen sprechen. Mit unserem Komplettangebot für beide Normen bei der Erstzertifizierung – Zertifizierungsstelle plus unsere Beratung und Betreuung – kommt man auf etwa 14.500 Euro zuzüglich Reisekosten und Mehrwertsteuer. Damit ist dann aber alles abgedeckt und die Zertifizierung in der Regel innerhalb von etwa vier Monaten abgeschlossen.

Für das Überwachungs-Audit in den darauffolgenden Jahren fallen weitere Kosten an?

Das stimmt, diese sind aber geringer, ebenso übrigens für die nach drei Jahren notwendige Re-Zertifizierung.

Firmen, die in einem solchen Niedrigpreissektor wie dem Sicherheitsgewerbe arbeiten, tut das weh.

Auch damit haben Sie Recht. Deshalb bieten wir flexible Ratenzahlungen und empfehlen unseren Kunden, die Gesamtkosten auf die monatliche Belastung umzulegen.

Oft hört man den Vorwurf, dass die Zertifizierungen kleine und mittelständische Bewachungsfirmen benachteiligen, weil die hohen Investitionen großen Firmen leichter fallen.

Das ist ein Irrtum. Tatsächlich können kleinere Firmen die Anforderungen aus der DIN 77200 leichter umsetzen, weil sie bestimmte Quoten eher erreichen. Beispiel: Die Norm fordert, dass 35 Prozent der Sicherheitsmitarbeiter in der zertifizierten Sicherheits-Dienstleistung entweder die IHK-Sachkundeprüfung bestanden oder ohne Unterbrechung mindestens drei Jahre in der Bewachungsbranche mit einer Unterweisung gemäß § 34a GewO gearbeitet haben müssen. Das zu erreichen, ist leichter – oder kostengünstiger –, wenn man 300 Mitarbeiter hat statt 3.000.


Die Normen fordern ein erhebliches Maß an Schulungen. Wie lassen sich die Kosten im Rahmen halten?

Große Unternehmen verfügen oft über eine eigene Schulungsinfrastruktur. Für kleinere Unternehmen ist es meist günstiger, externe Dienstleister damit zu betrauen. Derzeit geht der Trend dahin, dass Sicherheits-Unternehmen Akademien gründen und Kursmaßnahmen speziell für den Sicherheitsdienst-Bereich anbieten. Wir unterstützen dabei die Unternehmen bei der Gründung sowie bei der Zertifizierung der Akademie nach DIN EN ISO 9001 und AZAV.


Ich sehe die grandiosen Excel-Tabellen schon vor mir…

Grauenhaft, nicht wahr? Aufwändig, unpräzise und fehleranfällig noch dazu. Dabei gibt es inzwischen renommierte Personalmanagement-Software extra für das Sicherheitsgewerbe, die die Schulungsplanung und -verwaltung als Modul beinhaltet. Ich scheue mich auch nicht, an dieser Stelle mal ganz offen eine Empfehlung abzugeben: Das Programm SEC|PLAN|NET der Firma Dienstplanmacher halte ich für das derzeit beste am Markt. Nicht umsonst ist es ja inzwischen sehr weit verbreitet. Leider reizen es viele Anwender nicht voll aus, zum Beispiel was die Schulungsplanung angeht. Da haben sie schon einen Porsche – und fahren ihn nur im ersten Gang. Das kann ich nicht immer ganz nachvollziehen.