Veröffentlicht am: 01.08.2023
Peter Loibl ist Geschäftsführer der VZM GmbH, zu deren Unternehmensgruppe auch die Simedia Akademie GmbH gehört. Auch dort ist er Geschäftsführer und wird das genannte Jahresforum moderieren. Der studierte Nachrichtentechniker hat zuvor Sicherheitsprojekte für Siemens bearbeitet.
„Von der Virtualisierung zur Cloud“
Über Gegenwart und Zukunft der Technik in Notruf- und Service-Leitstellen sprachen wir mit Peter Loibl
Marktplatz Sicherheit: Herr Loibl, jedes Jahr veranstaltet Simedia das „Jahresforum Leitstellen und Sicherheitszentralen“. Ist denn der Informationsbedarf so groß? Eigentlich sollte zum Thema doch alles gesagt sein. Gerade in den Notruf- und Service-Leitstellen der Sicherheits-Dienstleister tut sich doch sehr wenig.
Peter Loibl: Der Eindruck täuscht. Ja, die Leitstellen von Sicherheits-Unternehmen sind häufig „bescheidener“ als in der Industrie, weshalb man aber nicht darüber hinwegsehen darf, dass dennoch ähnlich kritikale Sicherheitsfunktionen betreut werden. Deshalb gibt es auch hier laufenden Modernisierungs- und Entwicklungsbedarf. Und die Sicherheit, auch und besonders die der IT, muss stets gewährleistet sein. Eine der größten Herausforderungen.
Besonders augenfällig sind die Änderungen in Sachen Visualisierung.
Das ist richtig. Die Displays sind im Laufe der Zeit immer größer geworden, weil es die Technik hergab und immer größere Displays auch bezahlbarer wurden. Heute finden auch immer mehr gebogene („curved“) Monitore Einzug in die Leitstellen. Die Entwicklung geht zu durchgängigen Visualisierungsflächen samt Mikro-Wall-Management an den Arbeitsplätzen.
Was sind denn die neuesten IT-Trends bei Leitstellen von Sicherheits-Dienstleistern?
Es tat und tut sich viel in punkto Rechner- und Softwarearchitektur. Lange gab es für jede Applikation, also Videoüberwachung, Alarmmanagement, Kommunikation, Schlüsselverwaltung usw., eigene Server und demzufolge meist auch eigene Clients mit Keyboard, Monitoren und Maus an den Arbeitsplätzen. Ein erster Schritt war und ist das Absetzen der Client-Rechner, heute mit netz- und IT-basierten KVM-Lösungen (Keyboard, Video, Mouse) in den Technikraum der Leitstelle. Weil der Markt heute sehr kompakte und lüfterlose Cube-Rechner hergibt, sieht man auch solche Cube-Terminals immer öfter wieder an den Leitstellen-Arbeitsplätzen. Cubes haben den Vorteil, dass sie praktisch keine Wärme abgeben, dadurch keinen Lüfter benötigen und so keinen Lärm mehr machen. Daneben setzt sich immer mehr durch, dass eine Leitstellen-IT auch eine hoch verfügbare Infrastruktur benötigt. Ein herkömmlicher Technikraum wandelt sich zum Netz- beziehungsweise Serverraum. Und Virtualisierung zieht immer mehr ein.
Was ist nun Virtualisierung?
Man baut, bildlich gesprochen, „dickere“ leistungsfähige Server nebeneinander, die über eine Virtualisierungs- beziehungsweise Verwaltungsebene gemanagt werden. Die Leitstellenanwendungen können, einfach beschrieben, sowohl auf der einen als auch auf der anderen Rechnerplattform laufen. Die Virtualisierungsebene steuert dies, kann Rechnerlast aufteilen, Softwarefunktionen verteilen und bei technischem Hardwaredefekt dafür sorgen, dass die Anwendungen auf der funktionsfähigen Hardware weiterlaufen. Das bringt Ausfallsicherheit und damit eine höhere Verfügbarkeit für die Leitstelle. Im Prinzip ist das nichts anderes, als Google, Amazon & Co. schon eingeführt und mit neuer Softwarearchitektur perfektioniert haben. Die Software wird quasi in Teile „portioniert“ oder „paketiert“, die dann über solche Managementprozesse in den Rechenzentren verteilt laufen können.
Und das ist heute Standard?
Ich kenne nun nicht jede Leitstelle der Sicherheits-Dienstleister in Deutschland. Aber Virtualisierung wird immer mehr eingesetzt, vor allem wenn die IT-Landschaft erneuert oder modernisiert wird. Das Schöne daran ist, dass damit eben auch mehr Redundanz für den störungsfreien Betrieb gewährleistet werden kann, falls die Technik an irgendeiner Stelle ausfällt.
Die Bedeutung von redundanten Systemen gehört ja heute schon fast zum Standardwissen von Kindern. Warum sind da ausgerechnet die Sicherheits-Dienstleister so nachlässig?
Naja, Redundanz bedeutet höhere Kosten, denn ich muss ja Vieles mehrfach anschaffen und betreiben. Hier kommen wir zum klassischen Dilemma der Sicherheitsbranche: Die Margen sind gering, also müssen es auch die Kosten sein. Das liegt ein gutes Stück auch mit an den Kunden. Die Kunden sind oft die letzten, die eine Schippe drauflegen möchten. Sie erwarten die beste Leistung zum kleinsten Preis. Die erhöhte Sicherheit durch Redundanz ist ihnen entweder egal oder die Zusammenhänge sind zu komplex. Es geht ja auch meistens gut. Meistens…
Wie sieht die technische Zukunft aus?
Wie überall lautet das Stichwort: „Cloud“. Alles wird dorthin ausgelagert. Das kann sich auch auf die Räumlichkeiten auswirken: Technik- und Serverräume werden entlastet, da die Hardware woanders steht und läuft. Je nach Cloud-Modell verändert sich auch der IT-Betrieb für die Leitstelle, da in der höchsten Stufe PaaS-Hardware und -Anwendungen („Platform as a Service“) in der Cloud angesiedelt sind. Nur der Disponentenabschnitt bleibt in der Leitstelle Die Technik- beziehungsweise IT-Räume könnten schrumpfen oder ganz outgesourct werden. Cloud-Dienste werden künftig auch zunehmend von den Software-Lieferanten angeboten. Auch hier werden die Leitstellenbetreiber genau kalkulieren müssen, um auf ihre Margen zu kommen.
Werden denn all diese Themen auf dem „Jahresforum Leitstellen und Sicherheitszentralen“ von Simedia behandelt?
Selbstverständlich – und noch viel mehr. Geboten wird vom 19. bis 21. September in Berlin ein umfassender Themenmix mit vielen Nutzer- und Betreiberberichten aus der Praxis. Dazu gehört auch ein optionaler Planungs-Workshop am dritten Tag.