Veröffentlicht am: 27.09.2018
Interview: Marcus Heide
Foto: Dr. Harald Olschok
Dr. Harald Olschok
Hauptgeschäftsführer und geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW, Arbeitgeberverband) und Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Werttransporteure (BDGW, ebenfalls Arbeitgeberverband).
„Wer Karriere machen will, kann das auch in der Sicherheitswirtschaft“
Marcus Heide im Interview mit
Dr. Harald Olschok · Hauptgeschäftsführer und geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW, Arbeitgeberverband) und Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Werttransporteure (BDGW, ebenfalls Arbeitgeberverband)
Dr. Harald Olschok über die Hamburger Exzellenzinitiative, attraktive Sicherheitsjobs und die gar nicht so niedrigen Löhne
Marktplatz Sicherheit: Herr Dr. Olschok, im vergangenen Dezember haben Sie ein Vierteljahrhundert in der Sicherheitsbranche vollendet. Was hat sich in den 25 Jahren geändert und wobei treten wir auf der Stelle?
Dr. Harald Olschok: Wir haben mehrere – positive – Entwicklungen, die vor einem Vierteljahrhundert überhaupt nicht abschätzbar waren. Das gilt vor allem für Löhne und Qualifizierung. Die Ausbildungsberufe „Servicekraft und Fachkraft für Schutz und Sicherheit“ gab es damals ebenso wenig wie Studiengänge für das Sicherheits-Management. Dadurch ist das Image der Branche deutlich besser geworden. Wo früher von „Schwarzen Sheriffs“ und „Privatarmeen“ die Rede war, spricht man heute viel wertfreier von „Sicherheitsdiensten“ oder „Wachschutz“. Dabei ist allerdings zwischen veröffentlichter Meinungsmache – also Medien, die unsere Branche oft negativer darstellen, als sie es in der tatsächlichen öffentlichen Meinung, also der Bevölkerung, eigentlich ist, zu unterscheiden. Worüber wir heute fast noch genauso enttäuscht diskutieren wie vor 25 Jahren, ist die Vergabepraxis öffentlicher Auftraggeber, die immer noch häufig nach dem Billigstbieter-Prinzip verfahren und damit dazu beitragen, Löhne und Qualität zu drücken.
Der BDSW gehört zu den wenigen Arbeitgeberverbänden, die sich für eine bessere Bezahlung der Mitarbeiter einsetzen. Ich unterstelle, dass dabei weniger soziale Gründe eine Rolle spielen, sondern die dadurch mögliche bessere Qualifizierung und – wiederum daraus resultierend – höhere Margen. Darunter fällt auch die „Exzellenzinitiative“, die die Hamburger BDSW-Landesgruppe zu Beginn des Ausbildungsjahres 2018/2019 angestoßen hat. Was hat es damit auf sich?
Die Sicherheitsbranche könnte derzeit 12.000 neue Stellen sofort besetzen. Wir brauchen mehr Nachwuchs. Doch mit der Qualität der Ausbildung hapert es in vielen Betrieben offensichtlich, dies zeigt die Abbrecherquote, die laut Berufsbildungsbericht der Bundesregierung bei über 50 Prozent liegt. Die „Exzellenzinitiative“ soll die Ausbildungsbedingungen verbessern. Dazu gehört die Installierung einer Ombudsperson – derzeit Johanna Reidt –, die gemeinsam vom BDSW, der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft Nord, der Gewerkschaft ver.di, der Handelskammer Hamburg und der Berufsschule 27 bestellt wurde. Die Auszubildenden können dieser neutralen Ombudsfrau ihre Probleme in den Betrieben schildern und dann gemeinsam mit ihr und dem Ausbildungsbetrieb und der Berufsschule eine Lösung suchen.
Was bedeutete das konkret für die ausbildenden Betriebe und die Azubis?
Die Auszubildenden sollen in qualifizierten und engagierten Betrieben lernen. Dafür prüft ein unabhängiges Gremium besondere Qualitätsanforderungen der teilnehmenden Betriebe. Erfüllt ein Unternehmen diese Anforderungen, bekommt es ein „Exzellenz-Siegel“, an dem sich Auszubildende bei der Wahl eines qualifizierten Betriebs orientieren können. Zu den Qualitätsstandards gehört beispielsweise, dass ab sechs Auszubildenden oder Umschülern ein Mitarbeiter als Ausbildungsleiter in Teilzeit (50 Prozent) und ab 15 Auszubildenden oder Umschülern in Vollzeit vorzuhalten ist. Ab 2021 ist die Ausbildungsleitung mindestens von einem Meister für Schutz und Sicherheit wahrzunehmen.
Ein zentraler Kritikpunkt ist auch, dass einige Betriebe Azubis vor allem als billige Arbeitskräfte einsetzen.
Genau dem wollen wir einen Riegel vorschieben. Während des Berufsschulblocks darf kein gewerblicher (Ausbildungs-)Einsatz erfolgen. Dies gilt auch für die Wochenenden sowie den Sonntag vor und dem Samstag nach dem Block. Zudem darf die Ausbildungszeit nicht mehr als 173 Stunden pro Monat im Durchschnitt des Quartals betragen. Die Auszubildenden werden einmal je Quartal für einen Tag für einen von der Landesgruppe organisierten, überbetrieblichen zusätzlichen Ausbildungslehrgang unter Fortzahlung der Ausbildungsvergütung freigestellt. Zudem verpflichtet sich der Ausbildungsbetrieb, den Auszubildenden bestimmte zusätzliche Ausbildungsinhalte kostenfrei anzubieten und sie unter Fortzahlung der Ausbildungsvergütung freizustellen – und zwar mindestens fünf Tage pro Ausbildungsjahr.
Die Quote der Ausbildungsabbrecher signifikant zu verringern, ist für das Sicherheitsgewerbe auch deshalb so wichtig, weil es zunehmend unter dem Fachkräftemangel leidet. Höchste Zeit also für den Werbeblock: Was macht den Sicherheitsdienst attraktiv für junge Menschen?
Das Berufsumfeld ist spannend, abwechslungsreich und herausfordernd. Es besteht ja aus viel mehr als nur Pförtnerdienst, nächtlichen Streifen und Fahrkartenkontrolle, wie unsere vor wenigen Tagen neu aufgelegte Broschüre „111 Tätigkeiten in der Sicherheitswirtschaft“ zeigt. Nehmen Sie nur die VIP-Betreuung, Sicherheitsdienste an Schulen, in Schwimmbädern und Tierparks, Servicetechniker, Screening oder die Arbeit mit Sprengstoffspürhunden. Es gibt relative einfache Jobs und sehr komplexe. Je nach Talent und Interesse hat man es mehr mit Menschen oder mehr mit Technik zu tun. Es ist also für jeden etwas dabei, und es handelt sich um weitgehend sichere Arbeitsplätze.
Wenn da nicht die schlechte Bezahlung wäre…
Das gehört zu den sich hartnäckig haltenden Irrtümern. Wir dürfen aber nicht nur auf die tariflichen Mindestlöhne abstellen. Außertarifliche Zuschläge und regionale Differenzierungen sind Grundelemente unserer Tarifpolitik. Auch in der Sicherheitswirtschaft kann man schon auf mittlerer Führungsebene ein auskömmliches Einkommen erzielen. Rechnen Sie’s doch aus: Wer mit einem Stundenlohn von 17 Euro 170 Stunden im Monat arbeitet, kommt auf knapp 3.000 Euro, Zuschläge für Nacht-, Wochenend- und Feiertagsarbeit noch gar nicht eingerechnet. Ein Polizist in vergleichbarer Position verdient – abgesehen von der Altersversorgung – auch nicht sehr viel mehr. Wer Karriere machen will, kann das in unserer Branche ganz sicher tun.
Müssen wir da den Geld- und Werttransport außen vor lassen? Obwohl die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste nicht müde wird, auf die Liebe der Deutschen zum Bargeld hinzuweisen, nimmt der Anteil von Zahlungen mit Karte oder bald Smartphone stetig zu.
Sie vergessen: Die Zahl der Bankfilialen und Geldautomaten nimmt ebenso ab, wie die Schwierigkeiten des stationären Einzelhandels zunehmen. Also ja: Junge Menschen sollten nicht glauben, dass sie hier noch einen Job fürs Leben finden. Das gilt zumindest für den reinen Geld- und Werttransport.
Anders ist es in der Luftsicherheit. Die Passagierzahlen steigen. Da sollte man doch glauben, dass Flughäfen immer mehr Luftsicherheitsassistenten benötigen. Stattdessen werden aber die Schlangen an den Kontrollstellen immer länger.
Um hier die Lobbyarbeit zu verstärken, haben die auf die Luftsicherheit spezialisierten Unternehmen den Fachverband Aviation als separaten Bundesverband gegründet. Mit Udo Hansen, einst Referatsleiter im Bundesinnenministerium und Präsident des Bundesgrenzschutz-/Bundespolizeipräsidiums Ost, haben wir hier einen Präsidenten mit hoher Kompetenz. Ein Schwerpunkt des BDLS ist, die eigenständige Tarifpolitik weiterzuentwickeln. Für die Handvoll Unternehmen, die im Auftrag der Bundespolizei die Luft- und Gepäckkontrollen durchführen, ist das wichtigste Ziel, dass die Luftsicherheitskontrollen nicht wieder verstaatlicht werden.
Es häufen sich die Meldungen über Angriffe auf private Wachdienste. Daher haben Sie vor ein paar Wochen für harte Strafen plädiert. Warum sinkt die Gewaltschwelle?
Das ist in der Tat ein relativ neues Phänomen, das ja auch Polizeibeamte und Rettungsdienste trifft. Da die private Sicherheitswirtschaft immer öfter in Bereichen zum Einsatz kommt, in denen die Gewaltbereitschaft hoch oder gestiegen ist, trifft es zwangläufig mehr Mitarbeiter aus unseren Reihen. Umgekehrt sind staatliche Sicherheitskräfte für Krawallmacher und Gewalttäter häufig eher ein rotes Tuch als Private, sodass der Einsatz Letzterer vielleicht sogar zu weniger Gewalt führt. Das lässt sich statistisch aber nicht eindeutig belegen. Ich jedenfalls plädiere dafür, die jeweiligen Arbeitgeber viel mehr in die Haftung zu nehmen, wenn sie ihre Mitarbeiter nicht ausreichend auf Einsätze vorbereiten, die über ein hohes Konfliktpotenzial verfügen. Die Verantwortung kann hier nicht auf die Schultern der Beschäftigten abgewälzt werden. Es ist an den Unternehmen, ihre Mitarbeiter auf Konfliktsituationen ausreichend vorzubereiten, damit sie deeskalierend eingreifen können, um Gewalttaten so weit wie möglich auszuschließen.