Veröffentlicht am: 14.08.2018
Interview: Marcus Heide
Foto: Roland Hasenjürgen
Roland Hasenjürgen
Roland Hasenjürgen ist Management Consultant bei der Security Assist GmbH, die Unternehmen der verschiedensten Branchen in Sicherheitsfragen berät. Die Beratung öffentlicher Auftraggeber wie Universitäten, Forschungseinrichtungen, Museen und Kommunen bei Ausschreibungsfragen ist eine besondere Dienstleistung, die in Deutschland nicht weit verbreitet ist. Hasenjürgen hat seine Karriere vor 40 Jahren bei der Polizei begonnen und wechselte später in die private Sicherheit. Seit 1996 ist er als Berater tätig.
„Zwischen hochwertiger Dienstleistung und sauberer Ausschreibung“
Marcus Heide im Interview mit
Roland Hasenjürgen · Management Consultant bei der Securit Assist GmbH
Roland Hasenjürgen von Security Assist, erklärt, warum die öffentliche Hand als Auftraggeber für Sicherheits-Dienstleister besser ist als ihr Ruf – zumindest manchmal
Marktplatz Sicherheit: Herr Hasenjürgen, die öffentliche Hand gilt als ungeliebter Auftraggeber. Die Zahlungsmoral ist erbärmlich, die Vergabekriterien beleidigen das Know-how jedes kompetenten Unternehmers. Besonders Sicherheits-Dienstleister sind – unter vier Augen – schlecht auf die öffentliche Hand zu sprechen. Nicht qualifizierte Dienstleistung gibt den Ausschlag bei der Vergabe, sondern der Preis – nicht selten mit der Folge, dass das Gegenteil von Sicherheit erreicht wird. Flüchtlingsheim Burbach und Cottbuser Stadtfest lassen grüßen. Warum ist das so?
Roland Hasenjürgen: Sie lassen ja wirklich kein gutes Haar an der öffentlichen Hand. Die genannten Beispiele sind Extremfälle und nicht die Regel. Aber Sie haben schon Recht, viel zu oft ist noch der Preis das einzige Vergabekriterium.
Sind Beamte vielleicht von Natur aus geizig?
Zunächst einmal verpflichtet sie die Vergabeverordnung (VgV), das wirtschaftlichste Angebot anzunehmen, sprich: Wer die ausgeschriebenen Dienstleistungen zum niedrigsten Preis anbietet, bekommt den Zuschlag. Bis zur Vergaberechtsreform 2016 war es außerordentlich schwierig, überhaupt Qualitätskriterien in der Ausschreibung darzustellen. Das ist seitdem formal einfacher geworden. Und doch herrscht bei den öffentlichen Vergabestellen immer noch hohe Rechtsunsicherheit. Ihnen fehlt einfach das Fachwissen, um Qualität und Qualifizierung von Sicherheits-Dienstleistungen bewerten zu können. Weil sie am Ende vor den Vergabekammern keinen Schiffbruch erleiden wollen, gehen sie lieber auf Nummer sicher – und entscheiden sich für den billigsten Anbieter.
Die Vergabekammern des Bundes und der Länder prüfen auf Antrag eines Ausschreibungsteilnehmers, ob das Vergabeverfahren rechtmäßig gelaufen ist. Kaum anzunehmen, dass sich unter den Kammerjuristen viele finden, die sich mit den Grundlagen des Bewachungsgewerbes auskennen und entsprechend fachkompetent entscheiden können.
Genau das ist der Punkt. Auch hier fehlt die notwendige Sachkenntnis. Selbst wenn öffentliche Vergabestellen Qualitätskriterien in der Ausschreibung unterbringen, landen sie oft genug vor der Vergabekammer, die ihnen möglicherweise durch eine praxisferne Entscheidung einen Strich durch die Rechnung macht. Nehmen wir als Beispiel die Berufserfahrung von Sicherheits-Mitarbeitern. Es ist ein Unterschied, ob einfache Bewachungsleistungen an einer Garderobe oder komplexere Sicherheits-Dienstleistungen in einer Leitstelle mit der Überwachung von Gefahrenmelde- oder Videoüberwachungssystemen zu erbringen sind. Nun kann es sein, dass die Vergabekammer hier „Äpfel mit Birnen“ vergleicht und die Vergabe zum Platzen bringt.
Also müssen wir uns damit abfinden, dass Billigheimer letztlich gewinnen?
Nein, denn wie schon gesagt, hat die Vergaberechtsreform die Berücksichtigung von Qualität bei der Sicherheits-Dienstleistung – der „anderen besonderen Dienstleistung“, wie sie in der VgV heißt – vereinfacht. Jetzt muss man die Kriterien nicht mehr bis ins kleinste Detail beschreiben. Es genügt, wenn klar erkennbar ist, worauf es dem Auftraggeber im Grundsätzlichen ankommt, zum Beispiel Mehrsprachigkeit und soziale Kompetenz bei der Bewachung von Flüchtlingsunterkünften. Trotzdem ist alles immer noch so kompliziert, dass praktisch keine Vergabestelle die fachliche Ausformulierung der Ausschreibungstexte beherrscht. Und deshalb brauchen sie die Unterstützung von jemandem, der sich damit auskennt.
Womit wir bei Security Assist und Ihnen sind. Offensichtlich gibt es doch Vertreter von Vergabestellen, die nicht den Weg des geringsten Widerstands gehen, sondern auch Qualität für ihr Geld haben wollen. Was sind das für Leute?
In der Regel sind bei der öffentlichen Hand zwei Entscheider beteiligt. Das Ziel der Fachabteilung, beispielsweise das Gebäudemanagement einer Universität oder Forschungseinrichtung, ist hochwertige Dienstleistung. Das Ziel der Vergabestelle ist eine saubere Ausschreibung. Wenn sich beide einig sind, dann wird oft die Beratung wie die von Security Assist angefragt. Und wer bereit ist, einen Berater zu bezahlen, der ist auch bereit, Sicherheitsleute übertariflich zu entlohnen. Das heißt, dass ihnen ihre Firma auch eine vernünftige Qualifikation zukommen lassen kann. Und das heißt wiederum, dass am Ende tatsächlich die Leistung erbracht wird, die ausgeschrieben ist: echte Sicherheit. Mit Blick auf Ihre Kritik an der öffentlichen Hand darf ich an dieser Stelle explizit darauf hinweisen, dass ich viele Bewachungsvergaben kenne, bei denen übertariflicher Lohn gezahlt wird. Das hängt freilich auch damit zusammen, dass das Sicherheitsgewerbe händeringend nach Mitarbeitern sucht – rund 11.000 Stellen sind derzeit unbesetzt.
Wie sieht Ihre Unterstützungsleistung konkret aus?
Wir erstellen zunächst eine Ist-Analyse. Welche Qualifikationen und Kompetenzen sind für diesen speziellen Auftrag gefordert? Wie viele Fachkräfte für Schutz und Sicherheit werden benötigt? Welche Zusatzqualifikationen – etwa Empfangsdienst, Interventionskraft, Evakuierungshelfer – sind unabdingbar? Wie steht es um die Organisation des potenziellen Auftragnehmers: Wie schnell sind die Führungskräfte erreichbar, gibt es genügend qualifizierte Reservekräfte, wie erfolgt die Dokumentation? Und dann formulieren wir die Anforderungen, sodass die Ausschreibung unmissverständlich ist und am Ende die beste Dienstleistung eingekauft wird. Und wenn mehrere Unternehmen die beste Dienstleistung anbieten, dann entscheidet unter diesen – der Preis. Aber nur dann!